Schweizer Revue 2/2025

Kantone Auslandschweizer testhalber elektronisch wählen und stimmen. Mit dem in Berlin wohnhaften Ex-Botschafter Tim Guldimann wurde 2015 der erste «Internationalrat» ins Parlament gewählt. Seine Anreisespesen übernahm der Bund. Heute sind die Auslandschweizer ein politischer Faktor. Über 800 000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland, sie wären der viertgrösste Kanton des Landes. Rund 220 000 sind in die Wahlregister eingetragen, nehmen an Wahlen und Abstimmungen teil. Oft sind das Auslandschweizer, die nicht für immer ausgewandert, sondern vorübergehend im Ausland sind. Der Charakter der Emigration hat sich mit Billigflügen und Internet sehr verändert. «Statt von Auswanderung sollte man heute besser von internationaler Mobilität sprechen», sagt Rudolf Wyder, langjähriger Direktor der Auslandschweizer-Organisation. Der Auslandschweizer-Artikel von 1966 stellte die Beziehung der Schweiz zu der sich wandelnden Diaspora auf ein dauerhaftes Fundament. 2015 trat das neue Auslandschweizergesetz in Kraft, das die bisherigen Etappen in einem Gesetz sammelt. Nicht mehr Misstrauen und Ablehnung prägen heute den Umgang mit der Fünften Schweiz, sondern Wertschätzung. Der Bund beteiligt sich an Schweizerschulen, betreibt einen Online-Schalter für Auslandschweizer, die Plattform SWI swissinfo.ch, eine Auslandschweizer-Statistik sowie weitere Dienstleistungen zur Aus- und Rückreise. Noch liesse sich mehr tun: «Eine kohärente Auslandschweizerpolitik des Bundes, die wirklich auf das Potenzial der Diaspora abzielt, fehlt noch immer», sagt Rudolf Wyder. Andere Länder (Irland, Singapur) haben eigene Diaspora-Ministerien. Eine Verfassungsgrundlage für solche Neuerungen gäbe es seit 1966 auch in der Schweiz. Auszug aus dem Buch «Heute Abstimmung! 30 Volksabstimmungen, die die Schweiz verändert haben» Meimuna singt von Sanftmut in einer unruhigen Welt Die Walliserin Cyrielle Formaz, alias Meimuna, brachte Ende 2024 ihre erste LP heraus. «c’est demain que je meurs» handelt von Nostalgie, Narben und Wiedergeburt. Meimuna singt über ihren Heimatkanton, das Wallis, dessen konservative Seite, aber auch über seine wilde Schönheit. Anfang Jahr war sie auf Tournee in Frankreich und stand mit nur einer anderen Musikerin, der Gitarristin Claire Moreau, auf der Bühne, um ihr erstes Album vorzustellen: «c’est demain que je meurs». Dieses intime Format passt gut zur Sängerin und Gitarristin Cyrielle Formaz, die sich nach ihren Konzerten jeweils mit ihren Fans unterhält. «Es sind Leute, die mich seit Jahren kennen. Sie erzählen mir, dass es in meinen Liedern um sie geht, dabei singe ich über mich und mein Leben. Im Intimen liegt das Universelle», sagt sie. Sie freut sich über die beinahe überraschende Tatsache, dass es in einer Welt, «in der sich die Menschen in Bildschirmen regelrecht verlieren», immer noch solche gibt, die jemanden auf der Bühne sehen und hören wollen. «Das ist schon fast draufgängerisch», lacht sie mit der rauen und schelmischen Stimme, die ihr Markenzeichen ist. Wie lässt sich ihre musikalische Herangehensweise umschreiben? «Melancholie, Nostalgie und Hoffnung», antwortet Meimuna, die sich nicht scheut zu sagen, dass sie mit ihren Liedern den Zuhörerinnen und Zuhörern Trost zu spenden versuche. Das im Oktober 2024 veröffentlichte Album «c’est demain que je meurs» ist die erste LP, die von der Künstlerin selbst produziert wurde, obwohl es Meimuna bereits seit zehn Jahren gibt. Die Arrangements sind ausgefeilt und bieten der Gitarre genügend Raum. Cyrielle Formaz spielt ihr Instrument, eine sechssaitige Gitarre, mit viel Fingerfertigkeit. Und die 30-Jährige ist für sämtliche kreativen Aspekte ihrer Arbeit selbst verantwortlich: Komposition, Aufnahme, Abmischung und Grafik. Wir wippten mit Kopf und Fuss, als wir uns «tomber de haut», ein regelrechter Ohrwurm aus ihrem letzten Album, zu Gemüte führten. Der Song baut auf einem Gitarrenpicking – einem Arpeggio – auf, das schliesslich von Maschinen übernommen und geloopt wird, untermalt von Schlagzeug und Bass. Eine eingängige Melodie. Ein hitverdächtiger Refrain. Ein sinnlicher und poetischer Text. Cyrielle Formaz hat den Videoclip zu diesem wunderschönen, innovativen und einfachen Lied selbst gezeichnet. Man sieht sie singen und tanzen vor einem Hintergrund aus elfenbeinfarbenem Zeichenpapier, bevor sie sich in ein Auge und dann in einen Vogel verwandelt. «Ich habe über drei Monate lang 3000 Zeichnungen angefertigt», erklärte die in Orsières geborene Künstlerin. «Je ne serai pas l’otage / De mes histoires / Il n’est jamais trop tard / Pour tomber de haut / Souffler sur ma peau / Repartir à zéro», haucht sie in diesem federleichten Song, in dem einige Strophen wie ein Haiku klingen: «Est-ce que les parents tristes / Font des enfants tristes?» MEIMUNA: «c’est demain que je meurs» 2024, Radicalis Musics Schweizer Revue / April 2025 / Nr.2 22 Gelesen Gehört

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