4 Schwerpunkt THEODORA PETER Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) sprach von einem «wichtigen Meilenstein», als der Bundesrat kurz vor Weihnachten die frohe Botschaft vom Abschluss der Verhandlungen mit der EU verkündete. «Gute Beziehungen zur EU und zu unseren Nachbarstaaten sind gerade in diesen sehr unruhigen Zeiten wichtig», sagte Cassis vor den Medien. Aus Brüssel war zuvor eigens EUKommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Bern gereist, um die Bedeutung des Vertragsabschlusses zu untermauern. «Wir sind uns so nah, wie man sich nur sein kann», sagte von der Leyen und sprach vor den Kameras von einer Partnerschaft «auf Augenhöhe». Das Vertragspaket mit der EU beinhaltet eine Erneuerung von fünf bisherigen Verträgen sowie drei neue Abkommen zu Strom, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Der Annäherung war eine längere Beziehungskrise vorausgegangen. Vor drei Jahren hatte der Bundesrat die Verhandlungen für einen institutionellen Rahmenvertrag ergebnislos platzen lassen («Revue» 4/2021). Die DiffeIn der Europa-Frage naht die Stunde der Wahrheit Die Schweiz und die Europäische Union (EU) möchten ihre Beziehungskrise überwinden. Nach zähen Verhandlungen liegt ein erneuertes Vertragspaket auf dem Tisch. Doch innenpolitisch bleibt die bilaterale Annäherung umstritten. Das letzte Wort wird das Stimmvolk haben. renzen waren unüberbrückbar – etwa beim Lohnschutz oder dem Aufenthaltsrecht von EU-Bürgerinnen und -Bürgern in der Schweiz. Die EU reagierte entsprechend verstimmt und piesackte die Schweiz unter anderem mit einer Degradierung beim prestigeträchtigen Forschungsprogramm Horizon Europe («Revue» 5/2022). «Grösster Handelsplatz der Welt» Nach einer Denkpause nahmen beide Seiten die Verhandlungen vor Jahresfrist wieder auf. Zweihundert Verhandlungsrunden später liegt ein erneuertes Vertragspaket vor. Es führt den vor 25 Jahren eingeschlagenen, bilateralen Weg weiter. Kernstück bleibt die hindernisfreie Teilnahme am EU-Binnenmarkt, «dem grössten Handelsplatz der Welt», wie Cassis betonte. Allein die Schweiz und die EU handeln jeden Tag Waren und Dienstleistungen im Gesamtwert von weit über einer Milliarde Franken. «Unser Wohlstand hängt davon ab.» Der Zugang zu einem Wirtschaftsraum mit rund 500 Millionen Konsumierenden hat seinen Preis: In den Jahren 2030–2036 soll die Schweiz dafür jährlich 350 Millionen Franken zahlen. Dieser sogenannte Kohäsionsbeitrag fliesst nicht in die EU-Kasse, sondern dient der Entwicklung wirtschaftlich schwacher EU-Staaten. Bisher zahlte die Schweiz 130 Millionen Franken pro Jahr. Nebst dem Zugang zum EU-Binnenmarkt gehört die sogenannte Personenfreizügigkeit zum Herzstück der bilateralen Abkommen. Sie gibt der Bevölkerung das Recht, in einem anderen Land des Wirtschaftsraums zu arbeiten und zu leben. Die freie Wahl von Wohn- und Arbeitsort ist für die über 500000 in Europa lebenden AuslandDie Schweiz und die EU handeln jeden Tag Waren und Dienstleistungen im Gesamtwert von weit über einer Milliarde Franken. Schweizer Revue / April 2025 / Nr.2 4 Schwerpunkt
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