Schweizer Revue 2/2025

Für den Gewerkschaftsbund ist dies eine der Bedingungen, damit er sich bei einer kommenden Volksabstimmung hinter die EU-Verträge stellen wird. Bis zum Sommer will der Bundesrat die offenen Fragen klären und anschliessend zum Gesamtpaket, inklusive Gesetzesänderungen, eine Vernehmlassung durchführen. Das Parlament beugt sich ab 2026 über das EU-Dossier, eine Volksabstimmung wird kaum vor dem Jahr 2028 stattfinden – möglicherweise sogar erst nach den nächsten nationalen Wahlen 2027. Fundamentalopposition von rechts Bei den Parteien löste der neue Deal mit der EU gemischte Gefühle aus. Einzig die Grünen und die Grünliberalen stellten sich bereits klar hinter die Verträge. Auf linker Seite pocht die SP zusammen mit den Gewerkschaften auf innenpolitische Zusicherungen – sowohl beim Lohnschutz wie auch beim Service Public. Bei der FDP, der Partei von Aussenminister Ignazio Cassis, gab man sich nach Bekanntgabe des Verhandlungsabschlusses ebenfalls zurückhaltend. «Wir jubeln die Verträge weder hoch, noch verdammen wir sie», hiess es bei der liberalen Partei, die den bilateralen Weg der Schweiz bislang vorbehaltlos unterstützt hatte. Man wolle die neuen Verträge zunächst genau prüfen. Auch die Mitte zeigte sich wenig euphorisch, sprach jedoch von einem «klaren Fortschritt» gegenüber dem 2021 gescheiterten Rahmenabkommen. Die Zurückhaltung im bürgerlichen Lager hat nicht zuletzt mit dem massiven Widerstand der SVP zu tun. Die rechtskonservative Partei, die jede Annäherung an die EU ablehnt, stemmt sich mit allen Kräften gegen den «Unterwerfungsvertrag», weil die Schweiz in vielen Bereichen EU-Recht übernehme (Statement von SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher Seite 7). Auch stört sich die SVP an der «unkontrollierten» Einwanderung. 2020 scheiterte die Partei jedoch mit einer «Begrenzungsinitiative» an der Urne: Die Volksmehrheit wollte damals die Personenfreizügigkeit nicht aufs Spiel setzen. Nun nimmt die SVP einen neuen Anlauf: Mit der 2024 eingereichten «Nachhaltigkeitsinitiative» fordert sie, dass in der Schweiz bis 2050 höchstens 10 Millionen Menschen leben dürfen. Derzeit liegt die Zahl der ständigen Wohnbevölkerung bei 9 Millionen. Die brisante Initiative kommt voraussichtlich 2026 an die Urne – mitten in der parlamentarischen Debatte über die bilateralen Verträge. Ein Volks-Ja dürfte er2025 Vernehmlassung zum Vertragspaket und zu den flankierenden Massnahmen in der Schweiz 2026 • Beratung der EU-Verträge sowie Gesetzesänderungen im eidgenössischen Parlament. • Voraussichtlich Volksabstimmung über die SVP-Initiative «Keine 10-Millionen-Schweiz» 2027 Eidgenössische Wahlen für National- und Ständerat 2028 Voraussichtlich Volksabstimmung über die neuen EU-Verträge Die freie Wahl von Wohn- und Arbeitsort ist für die über 500000 in Europa lebenden Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer von existenzieller Bedeutung. neut zu einer schweren Beziehungskrise mit der EU führen. Während die SVP jegliche Verträge mit der EU lautstark bekämpft, fehlt es der Befürworterseite noch an Zugkraft. In der Pflicht stehen – nebst den politischen Parteien – insbesondere die Wirtschaftsverbände wie Economiesuisse, die bei früheren Abstimmungen zu den Bilateralen I und II jeweils ihr ganzes Gewicht in die Waagschale warfen. Erst einzelne Wirtschaftsvertreter, wie der Solothurner Unternehmer und FDP-Nationalrat Simon Michel (siehe Statement Seite 7), stellen sich mit Überzeugung hinter die Bilateralen III. Damit die Verträge mehrheitsfähig sind, braucht es aus Sicht des Politologen Fabio Wasserfallen, Professor für europäische Politik an der Universität Bern, «eine breite und klare Ansage, dass diese Verträge für die Schweiz wichtig sind». Ohne ein solches Bekenntnis von Wirtschaft, Sozialpartnern und Parteien sei nachvollziehbar, weshalb der Bundesrat zögerlich agiere und nicht alleine die Führungsrolle übernehmen wolle. «Ich habe den Eindruck, dass beim EU-Dossier einmal mehr auf Zeit gespielt wird.» Ob dies eher den Befürwortern oder den Gegnern nützt, bleibt offen. Sicher ist, dass früher oder später alle Akteure Farbe dazu bekennen müssen, wie die Beziehung zu den europäischen Nachbarn geregelt wird. Zum Dossier: www.revue.link/eudo Schweizer Revue / April 2025 / Nr.2 6 Schwerpunkt

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