Schweizer Revue 3/2025

ren, bei Forschung und Entwicklung sogar die grössten. Politiker haben auch laut darüber nachgedacht, aus dem Kampfjet-Deal mit den USA auszusteigen. Dass die Schweiz etwas zu bieten hat, sehen inzwischen offenbar auch die USA so. Jedenfalls gehört die Schweiz nun zu einer Gruppe von 15 Ländern, mit denen Washington prioritär einen Handelsvertrag abschliessen will. In solchen Verhandlungen könnte Bundesbern etwa weitere Direktinvestitionen von Schweizer Firmen in den USA von rund 150 Milliarden Franken in die Waagschale werfen. Etwa die Hälfte davon kommt von Novartis und Roche. Spielraum bei Avocados und Mandeln Goodwill könnte sich die Schweiz auch über eine verstärkte Zusammenarbeit beim Aufbau des Lehrlingswesens in den USA sichern. Trump selbst hat jüngst eine Berufsbildungsinitiative angekündigt. Verhandelt wird aber über Zölle, nichttarifäre Handelshemmnisse wie etwa Kontingente, Subventionen, Steuern und den Handel mit Gütern. Keller-Sutter möchte den «Basiszoll», der trotz Aufschub weiterhin auf allen Importen gilt, ganz wegbringen. Der Bundesrat wird aber kaum darum herumkommen, bei der Landwirtschaft Zugeständnisse zu machen. Hier gibt es laut Bund bei Produkten wie Mandeln oder Avocados, die in der Schweiz nicht hergestellt werden, Verhandlungsspielraum. Der nächste Schritt ist eine gemeinsame Absichtserklärung, die bei Redaktionsschluss von Ende Mai noch nicht vorlag. Danach soll verhandelt werden. Angesichts der zahlreichen Kehrtwenden und Überraschungen im Weissen Haus ist allerdings auch dieser grobe Fahrplan mit Vorsicht zu geniessen. mersystem des Parlaments. Diese Ähnlichkeiten beim Staatsverständnis und bei der Selbstverantwortung spielen jedoch in der Realität, wenn es hart auf hart kommt, keine Rolle. Da setzen die USA ohne Nachsicht auf die Macht des Stärkeren, um ihre Interessen durchzusetzen. Es beginnt gleich nach dem Zweiten Weltkrieg, als Washington die Schweiz drängt, Entschädigungszahlungen zu leisten für ihre Verstrickungen mit NaziDeutschland. In den 1990er-Jahren kommt die Schweiz wegen der nachrichtenlosen Vermögen und dem Raubgold aus der Nazi-Zeit an den Pranger. Unter grossem internationalem Druck willigten UBS und CS ein, Holocaust-Opfer oder deren Nachfahren mit 1,25 Milliarden Dollar zu entschädigen. Auch beim Bankgeheimnis bekam die Schweiz die volle Wucht des US-amerikanischen Einflusses zu spüren. 2008 musste die Schweiz das Bankgeheimnis lockern und die Namen von Tausenden von mutmasslichen Steuerbetrügern an die US-Steuerbehörden liefern. Keller-Sutter telefoniert mit Trump Die Schweiz hat sich jeweils arrangiert mit dem Druck der grossen Schwester aus Übersee. Und so dürfte es auch beim Streit um die Zölle sein. Inzwischen sind die USA das wichtigste Exportland der Schweiz – noch vor Deutschland. Nachdem Bundesbern zunächst nur Zugang zu unteren Chargen in Washington hatte, ist inzwischen die Verbindung ins Weisse Haus gelegt. Bundespräsidentin Keller-Sutter stellte in einem Telefonat mit Trump Angebote zur Entschärfung des Handelsdisputs in Aussicht. Kurz danach gab Trump bekannt, die verhängten Zölle für alle Handelspartner 90 Tage lang auszusetzen. Ein Artikel der «Washington Post» nährte in den Schweizer Medien Spekulationen über die Rolle von Keller-Sutter bei Trumps Entscheid. Sie habe den Präsidenten auf die Konsequenzen seiner Zollpolitik aufmerksam gemacht und zum Einlenken gedrängt, schrieb die «Post». Die Bundespräsidentin widersprach dieser Erzählung freilich nicht, als sie später von einem Journalisten auf ihre Rolle angesprochen wurde. «Das hoffe ich», sagte sie lächelnd, «er sollte auf Frauen hören.» Der Glaube an eine besondere Beziehung zu den USA bleibt stark. Trotz der eindeutigen Kräfteverhältnisse will die Schweiz gegenüber Trump nicht einfach als Bittstellerin auftreten. Er machte sich auch schon lustig über ausländische Politiker, die um einen Deal bettelten. Der Präsident akzeptiert nur Stärke, Schwäche verachtet er. Die Schweiz hat ihre Trümpfe. Schweizer Firmen sind in der industriellen Produktion die viertgrössten ausländischen InvestoWirtschaftsminister Guy Parmelin und Bundespräsdentin Karin Keller-Sutter am Tag nach den Zollankündigungen. Ihr Gesichtsausdruck widerspiegelt die Konsternation in Bundesbern. Foto Keystone Donald Trump nannte den Tag der Zollankündigungen «Liberation Day». Nachdem er die Schweiz zunächst überrascht hart anging, zeigt er inzwischen etwas Gesprächsbereitschaft. Foto Keystone Schweizer Revue / Juli 2025 / Nr.3 15

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