Schweizer Revue 3/2025

cke der Schweiz. «Vor dem Bau der Bahn fuhr man mit der Kutsche zum Niesen», erzählt Anker, der Monografien über die höchsten Gipfel der Schweiz verfasst hat. Heute dauert die Reise von Bern zum Berggipfel nicht einmal anderthalb Stunden. Gleitschirme – so weit das Auge blickt Was tun auf dem Gipfel des Niesens? Entlang der Westkante kann man sich die Beine vertreten und dabei die Startmanöver der Gleitschirmfliegerinnen und -flieger beobachten. «Dieser Gipfel ist einer der schönsten Flugspots der Region», schwärmt der Berner Ruedi Thomi. Selber Tandempilot und in den 1980er-Jahren einer der Pioniere des Gleitschirmfliegens, ist er heute unterwegs zu einem Flug in Richtung seines acht Kilometer Luftlinie entfernten Zuhauses. Unweit davon treffen wir auf eine junge Frau, die, auf einer Bank sitzend, in einen Roman versunken ist. Olivia Jundt ist aus Liestal (BL) angereist und ihr Mann ist gerade in der Luft. «Ich habe mich sehr darauf gefreut, die Schweizer Pyramide zu besuchen, und frage mich jetzt, warum ich eigentlich in Basel lebe», lacht sie. Auf dem kleinen asphaltierten Weg, der von der Endstation der Bahn zum Gipfel führt, begegnet uns eine junge Asiatin, die sich ängstlich am Geländer festhält: Wir sind in den Bergen und es gibt Abgründe! Etwas weiter oben geniessen Argentinier die Aussicht, während sie an einem Mate nippen. Doch auch an diesem kommen die meisten Touristinnen und Touristen aus der Schweiz. Sie machen übers Jahr 95 Prozent der Besuchenden aus. Heimliche Besuche auf der Treppe Wir steigen zu Fuss bis zur Mittelstation Schwandegg ab, die 700 Meter weiter unten liegt. Auf unserem Spaziergang kommen wir auch an der Weltrekord-Treppe vorbei. Ein leiser metallischer Ton ist zu hören – das Klappern der Seilbahnseile. Da stürmt auf dem Bergweg ein Läufer heran. Er heisst Michael Meyer und arbeitet als Metzger in Thun. Es ist für ihn an diesem Tag bereits sein dritter Aufstieg. Er will einen Rekord aufstellen: Zwischen April und Oktober, solange die Wege begehbar sind, möchte er 186-Mal den Niesen erklimmen. Und der Niesen-Treppenlauf? Zwar engagiert sich Meyer dort als Freiwilliger, aber die 11 674 Stufen sind an sich nicht sein Ding. Er bevorzugt die Wanderwege und findet: «Treppen sind nicht gesund.» Er sagt es mit Blick auf einen früheren Job, bei dem er täglich Hunderte von Stufen hochsteigen musste. Der junge Mann zückt sein Handy, zeigt Fotos von Gämsen. Die Fauna Berg ist reich: Luchse, Adler, Bartgeier, Gänsegeier und Birkhühner leben hier. Steinböcke gibt es jedoch keine, obwohl für die Gegend des Niesen 2006 ein Projekt zur Wiederansiedlung dieser Tierart lanciert wurde. Dessen Hauptanliegen: «Die Region für den Tourismus attraktiver zu machen.» Zurück zur – ziemlich verbotenen – Treppe. Michael Meyer beobachtet bei seinen frühmorgendlichen Bergläufen immer mal wieder zweibeinige Treppenkletterer. Allerdings werden sie, wie die «Berner Zeitung» berichtete, jeweils von den Kameras der Niesenbahn erfasst – und dann auf dem Gipfel abgefangen. Der Niesen zog immer wieder Künstler in den Bann. Symbolist Ferdinand Hodler (1853–1918) zum Beispiel verewigte den «perfekten Berg» wiederholt auf Leinwand. Foto Keystone Markante Berggipfel gibt es in der Schweiz viele. Das Besondere am Niesen: Er ist von weitherum in voller Grösse sichtbar, insbesondere von Thun und Spiez aus. Rot eingezeichnet: der Verlauf der Niesenbahn – und der Rekord-Treppe. © Swisstopo Schweizer Revue / Juli 2025 / Nr.3

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