Schweizer Revue 3/2025

THEODORA PETER Der im Schweizer Steuersystem angewandte Eigenmietwert ist international ein Unikum. Er betrifft alle, die ein Haus oder eine Wohnung gekauft haben und selber darin leben. Der Staat erachtet nämlich den Wert dieses mietfreien Wohnens als eine Art von «Naturaleinkommen», das es zu versteuern gilt. Begründet wird dies mit der Steuergerechtigkeit. Die Betroffenen empfinden es trotzdem als unfair, dass sie für die Nutzung der eigenen vier Wände zur Kasse gebeten werden. Der Hauseigentümerverband (HEV) spricht gar von einer fiktiven «Luftsteuer». Wird die strittige Steuer für Eigenheimbesitzende abgeschafft? Wer in der Schweiz in den eigenen vier Wänden wohnt, wird steuerlich belastet. Nun soll der umstrittene Eigenmietwert abgeschafft werden – sofern Volk und Stände zustimmen. Immerhin liegt der von den Behörden berechnete Eigenmietwert meist deutlich unter dem Marktpreis, den man bei einer Vermietung an Dritte erzielen könnte. Zudem kommt der Staat den Hausbesitzenden bei den Steuerabzügen entgegen. So können sie sowohl die Hypothekarzinsen wie auch die Kosten für den Unterhalt der Liegenschaft von den Steuern abziehen. Der Eigenmietwert ist seit Jahrzehnten ein politischer Zankapfel. Doch alle Versuche zu dessen Abschaffung sind bislang entweder im Parlament oder an der Urne gescheitert. 2012 lehnte das Stimmvolk die HEV-Initiative «Sicheres Wohnen im Alter» ab. Die Initianten wollten Rentnerinnen und Rentner vom Eigenmietwert befreien, weil diese im Alter oft kaum mehr von Steuerabzügen profitieren können – und mehr Steuern bezahlen müssen. Eine Mehrheit von Volk und Ständen wollte aber nichts von einem solchen Privileg für Pensionierte wissen. Neuer Anlauf für Systemwechsel Nun strebt das Parlament einen grundsätzlichen Systemwechsel für alle an: Verschwinden sollen nicht nur der ungeliebte Eigenmietwert, sondern im Gegenzug auch die Steuerabzüge. Unter dem Strich würde der Staat mit dem Systemwechsel Einnahmen in der Höhe von bis zu 1,8 Milliarden Franken verlieren. Diese Berechnung basiert auf den aktuell tiefen Hypothekarzinsen von durchschnittlich 1,5 Prozent. Bei höherem Zinsniveau wären die Steuerausfälle geringer. Kostenneutral wäre die Reform bei einem Zinsniveau von 2,8 Prozent. Die Verluste für die Staatskasse sind der Hauptgrund dafür, weshalb sich die Linke gegen den Systemwechsel stemmt: Wenn der Staat über weniger Mittel verfüge, müsse die geDie Abstimmungen vom 28. September im Überblick Steuer auf Zweitliegenschaften: Die Kantone sollen die Kompetenz erhalten, eine separate Steuer auf Zweitwohnungen einzuführen. Dies als Kompensation für die Abschaffung des sogenannten Eigenmietwertes, die zu Steuerausfällen führt. Dazu ist eine Verfassungsänderung nötig, die Volk und Stände beschliessen müssen. Verknüpft ist die Vorlage mit einem Systemwechsel bei der Besteuerung von selbstgenutztem Wohneigentum. Davon betroffen sind alle, die in der Schweiz in einer eigenen Liegenschaft leben oder dort Ferien verbringen (siehe Haupttext). Elektronische Identität: Die Schweiz nimmt einen neuen Anlauf zur Einführung eines elektronischen Identitätsnachweises (E-ID). Die E-ID soll kostenlos und freiwillig sein – die heutigen Identitätskarten und Pässe werden dadurch nicht ersetzt. Die technologische Infrastruktur stellt der Staat. Eine privatwirtschaftliche Lösung war 2021 an der Urne aufgrund von Sicherheitsbedenken abgelehnt worden. Die Gegner misstrauen aber auch der neuen Lösung und haben das Referendum ergriffen, weshalb nun erneut das Stimmvolk das letzte Wort hat (mehr zum Thema auf Seiten 24-25). samte Bevölkerung die Zeche bezahlen, so das Argument. Opposition kommt weiter aus den Tourismusregionen: Denn der Eigenmietwert soll nicht nur für den Hauptwohnsitz, sondern auch für Zweitwohnungen abgeschafft werden. Allein die beiden Kantone Graubünden und Wallis, in denen sich viele Ferienwohnungen befinden, verlieren durch die Abschaffung des Eigenmietwertes insgesamt Einnahmen in der Höhe von 120 bis 140 Millionen Franken pro Jahr. Um diese Ausfälle zu kompensieren, will das Parlament den Kantonen die Einführung einer sogenannten Objektsteuer auf Zweitliegenschaften ermöglichen. Hierzu braucht es eine Änderung der Bundesverfassung, über die am 28. September an der Urne abgestimmt wird (siehe Kasten). Fünfte Schweiz kaum betroffen Skeptisch ist auch das Baugewerbe: Schreiner, Sanitäre oder Malerbetriebe befürchten, dass Hausbesitzende weniger Aufträge erteilen, wenn sie die Kosten für den Unterhalt künftig nicht mehr wie bisher von den Steuern abziehen können. Aus dem gleichen Grund haben auch die Banken wenig Interesse an der Abschaffung des Eigenmietwertes. Denn das heutige System sorgt dafür, dass Wohnungseigentümerinnen und Hausbesitzer keinen Anreiz sehen, die Hypothekarschulden zurückzuzahlen. Die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind vom Systemwechsel nur dann betroffen, wenn sie über eine Immobilie in der Schweiz verfügen, die sie als Zweitwohnung zum Beispiel für Ferienaufenthalte nutzen. Schweizer Revue / Juli 2025 / Nr.3 26 Politik

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