Locher lobt zwar die «vielen engagierten, niederschwelligen Angebote beispielsweise von Schulen, Sportvereinen, der Jugendarbeit oder dem psychologischen Dienst in Gemeinden». Doch die kantonalen Unterschiede seien gross. Locher sagt: «Das ist ein Flickenteppich. Wir bräuchten eine nationale Strategie, um im ganzen Land bedarfsgerechte Angebote für die Zielgruppen zur Verfügung zu stellen.» Ein Angebot kommt von Unicef selbst, das Gemeinden mit dem Label «kinderfreundlich» auszeichnet. Die psychische Gesundheit stehe dabei zwar nicht im Fokus, doch ein gesunder öffentlicher Lebensraum für Kinder trage ebenfalls zur Prävention bei. Was bleibt? Bleibt die Frage, ob Jugendpartizipation bei diesem für die Jungen offensichtlich brennenden Thema etwas bewegen kann. Arya Kaya ist davon überzeugt. An der Abschlusskonferenz des Zukunftsrats U24 hätten viele interessierte Politiker:innen teilgenommen, und sie selbst wird seither wiederholt an Fachtagungen eingeladen. Unter anderem sprach sie an einem Grossanlass vor 600 Spezialisten. «Wir haben nicht für die Schublade gearbeitet», sagt sie mit Nachsoll die Schweizer Bevölkerung möglichst gut abbilden und schliesst damit auch Ausländer:innen ein, die in der Schweiz sonst keine politische Mitsprache haben. Arya Kaya, eine heute 24 Jahre alte Kurdin, hat 2023 an der Konferenz teilgenommen und ist begeistert: «Ich war aus der Türkei in die Schweiz geflüchtet, war allein, ohne soziales Netz. Und da gab man mir, einer Ausländerin, die Chance mitzureden!» An drei WochenendWorkshops wurden über 30 Anträge behandelt und schliesslich 18 Handlungsempfehlungen an die Schweizer Politik formuliert. Verlangt werden unter anderem die Schaffung einer gesetzlichen Basis, die es dem Bund erlaubt, im Bereich der psychischen Gesundheit junger Menschen auf nationaler Ebene koordiniert zu wirken, ein Monitoring und ein Fokus auf Prävention. Die Forderungen des Zukunftsrats decken sich in weiten Teilen mit jenen von Unicef. Nach Ansicht von Hannah Locher liegt das Problem nicht allein am Mangel an Fachpersonen, sondern vor allem an strukturellen Defiziten: Die Ausbildung von Kinder- und Jugendpsychiatern sei zu wenig gefördert, die Versorgung nicht bedarfsgerecht geplant worden, und die Prävention werde finanziell massiv vernachlässigt. druck. Sie sieht sich heute als «GameChangerin», indem sie die Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats weiterverbreitet in ihrem Netzwerk, das zusehends grösser wird. Die junge Frau spricht inzwischen ausgezeichnet Deutsch, hat sich gemeinsam mit 29 weiteren motivierten Zukunftsrät:innen als «Zentrum Zukunftsrat U24» organisiert und ein Psychologiestudium an der Universität Zürich aufgenommen. Doch nicht alle Jungen in der Schweiz haben ein Interesse daran oder die Kraft dazu, sich politisch zu engagieren. Für sie sind niederschwellige Angebote von Jungen für Junge zentral. Zu ihnen gehört beispielsweise das «Zeta Movement», getragen von ehemaligen von psychischen Problemen Betroffenen. Die heutigen Botschafter:innen deklarieren ihr Ziel so: «Nach unserer Vision sollte die Generation Z die letzte Generation sein, die unter Stigmatisierung, Schweigen und Diskriminierung im Zusammenhang mit psychischer Gesundheit leidet, aber die erste Generation, die ein Katalysator für Veränderungen sein und die Einstellung zu diesem Thema radikal verändern wird». Links zu weiterführenden Informationen: Online-Plattform engage.ch: www.engage.ch Zürcher Jugendvorstösse: www.engage.ch/euses-zueri Jugendpolittag Solothurn: www.engage.ch/jugendpolittag Der Zukunftsrat U24: www.zukunfts-rat.ch Studie Unicef Schweiz und Liechtenstein (2021): www.revue.link/unicef1 Unicef-Umfrage zur psychischen Gesundheit (weltweit, in Englisch): www.revue.link/unicef Stress-Studie Pro Juventute (nur in Deutsch): www.revue.link/stress JULIA KNEUBÜHLER begleitet Jugendliche, die politisch mitbestimmen wollen. Sie ist für die im Auftrag der Stadt Zürich durchgeführten Jugendkonferenzen zuständig. Foto ZVG FIONA MARAN leitet beim DachverbandSchweizer Jugendparlamente die Kampagne engage.ch. Sie sagt: Allein schon die Tatsache, dass sich junge Menschen aktiv am politischen Prozess beteiligten, sei ein Erfolg. Foto ZVG Schweizer Revue / Juli 2025 / Nr.3 7
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