Schweizer Revue 4/2025

Das Bundesfeierspiel 1941 als Höhepunkt Seine Stunde schlug erst, als 1941 in Schwyz über 100 000 Leute sein «Bundesfeierspiel» zum Jubiläum 650 Jahre Eidgenossenschaft sahen, aber nicht wissen konnten, wie unerbittlich Bundesrat Philipp Etter dafür gesorgt hatte, dass Flüchtlingsfrage und Antifaschismus aus dem Text eliminiert worden waren. 1945 aber kam das bittere Erwachen. «Warum fällt mir», notierte er damals mit Blick auf Frischs erfolgreiches Drama «Nun singen sie wieder» ins Tagebuch, «nie so etwas ein, so schlicht und ruhig und tief, so dichterisch. Mit meinem ewigen historischen Zeugs. Es ist bitter, zur Erkenntnis kommen zu müssen, dass man sich selber überlebt.» Tatsächlich fand von Arx, dessen letzte Werke das Zwingli-Drama «Brüder in Christo» und das «Gedenkspiel zur 450-Jahr-Feier der Schlacht bei Dornach» waren, den Weg in die Gegenwart nicht mehr. «Ohne die wunderbare Zuversicht meiner Frau hätte ich den Kampf gegen mich selbst schon längst aufgegeben», bekannte er 1947 Franz Beidler. Als Gertrud von Arx am 14. Juli 1949 starb, erschoss er sich wenige Stunden später in seinem Arbeitszimmer in Niedererlinsbach. «Nulla crux, nulla corona», «Kein Kreuz, keine Krone», liess er auf sein Grab schreiben. Die Krone war ihm versagt geblieben, weil er sich nicht von der Idee eines Schweizer Nationaldramas hatte lösen können. BIBLIOGRAFIE: Von 1986 bis 2008 sind im Schwabe-Verlag, Basel, herausgegeben von Armin Arnold, in vier Bänden die gesammelten Werke von Cäsar von Arx erschienen. CHARLES LINSMAYER IST LITERATURWISSENSCHAFTLER UND JOURNALIST IN ZÜRICH CHARLES LINSMAYER Am 5. März 1936 kam am Zürcher Schauspielhaus unter Leopold Lindtberg «Der heilige Held», das neuste Stück von Cäsar von Arx, zur Uraufführung. Es stellte eine Episode aus dem Aufstand der Entlebucher gegen die Stadt Luzern im Jahre 1478 dar. Der Aufrührer Peter Amstalden soll hingerichtet werden, es sei denn, sein Schwiegervater, Niklaus von Flüe, ergreife für Luzern Partei. Der weist das von sich, und Amstalden wird in dem Moment geköpft, als der Eremit durch seine Botschaft an die Stanser Tagsatzung den Landesfrieden rettet. «Wer Gott finden will, muss den Menschen dienen», heisst die Quintessenz des Stücks, «und wer den Menschen dienen will, muss Gott suchen.» Trotz guter Kritik und dem Lob von Thomas Mann, dem «das im Heimatboden wurzelnde Stück mit seiner körnigen Sprache beste ‹Schweiz› zu erleben» gab, kam es nur gerade auf drei schlecht besuchte weitere Vorstellungen. Wollte das Publikum seine «Schweizerdichter», die sich in jenen Jahren lieber mit fragwürdigen Aktivitäten hinter den Kulissen als mit Genialität auf der Bühne gegen ausländische Konkurrenten behaupteten, vielleicht gar nicht sehen? Sackgasse «geistige Landesverteidigung» Immerhin war der am 23. Mai 1895 in Basel geborene Cäsar von Arx, Autor der Cendrars-Adaption «General Suter» und des Bühnenbestsellers «Der Verrat von Novara», mit Abstand der berühmteste Schweizer Dramatiker jener Zeit. Und doch geriet auch er in die Sackgasse des nationalen Alleingangs im Zeichen der geistigen Landesverteidigung. Von Schiller, Shakespeare und Arnold Ott herkommend, hatte er niemals Anschluss an die Von der bitteren Erkenntnis, «dass man sich selber überlebt» Cäsar von Arx (1895–1949) war der bekannteste Schweizer Dramatiker vor 1945. Avantgarde seiner Generation gefunden. Seine Domäne war das Historische und das Schweizerische. 1932, als «General Suter» in Berlin durchfiel, versteifte er sich mehr denn je darauf. «Für diese kaltschnäuzigen Grossstadtjuden soll ein anderer schreiben», schimpfte er in einem Brief an den Vater und nahm sich gleich drei weitere historische Schweizer Stoffe vor. «Der ‹Normalmensch› dieses ‹Elektrizitätszeitalters› hält jeden für verrückt, der die Fackel für ebenso erhaltungswürdig erklärt als die Glühlampe. Wie aber, wenn eines Tages der die Glühlampe speisende Strom versiegt ist? Wird da der Fackelträger nicht plötzlich wieder zum Prometheus? Wer hat also ein Recht, mich heute zu verspotten oder mich gar für fossil zu halten, weil ich im Zeitalter der Technik das Wissen um das Ich, der Kultur des Individuums, das Einmalige der Persönlichkeit hege und pflege? Die Menschen sind geneigt, das von ihnen als wichtig Erkannte zum allein selig machenden Dogma zu erheben – sie anerkennen nur mehr den Elektriker und nicht mehr den Fackelträger.» (Aus «Die Fackelträger» in: Cäsar von Arx: Werke IV, bearbeitet von Reto Caluori, Schwabe-Verlag Basel, 2008) Cäsar von Arx (1895 – 1949) Schweizer Revue / Oktober 2025 / Nr.4 26 Literatur

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