Schweizer Revue 4/2025

1800 Seiten dicke Lektüre: Der Bundesrat legt Vertragspaket mit der Europäischen Union vor In den Grundzügen war das Vertragspaket, mit dem die Schweiz und die EU ihre Beziehung auf eine neue Grundlage stellen, seit Monaten bekannt. Am 13. Juni 2025 genehmigte die Landesregierung die Vertragstexte und veröffentlichte sie, mit den dazugehörenden Gesetzen und Erklärungen – der offizielle Startschuss zur öffentlichen Diskussion. Das mehr als 1800 Seiten umfassende Paket enthält zwei Teile: die erneuerten bisherigen Abkommen, darunter jenes zur Personenfreizügigkeit («Stabilisierungsteil»), und die neuen Verträge zu Lebensmitteln, Strom und Gesundheit («Weiterentwicklungsteil»). Das Vertragswerk ermöglicht weiterhin den bilateralen Weg, der der Schweiz den Zugang zum europäischen Binnenmarkt sichert. Im Bereich der Zuwanderung konnte sie eine Schutzklausel aushandeln. Ihr werden aber auch Zugeständnisse abverlangt, unter anderem eine dynamische Übernahme von EU-Recht innerhalb der Abkommen. Diese ist im Inland besonders umstritten. Die Vernehmlassung bei Parteien, Verbänden und anderen Interessierten läuft bis Ende Oktober. (RED) Link zum Vertragspaket: www.revue.link/cheu In Frankreich leben, aber in der Schweiz zur Schule gehen: Diese Genfer Besonderheit ist zu Ende Im Juni gab die Genfer Regierung bekannt, dass rund 2500 Kinder von Grenzgängerinnen und Grenzgängern, die in der Schweiz zur Schule gehen, künftig in Frankreich den Unterricht besuchen müssen. Für den Schulbesuch gilt somit jetzt auch in Genf das Wohnsitzprinzip: Zuständig für die Bildung der Kinder ist das Wohnland. Damit endet eine Schweizer Ausnahme, denn in den anderen Grenzkantonen galt bereits bisher: Wer im Ausland lebt und sein Kind in eine Schweizer Schule schickt, bezahlt den vollen Preis für die Ausbildung. Im Fall Genfs geht der Wandel allerdings alles andere als geräuschlos über die Bühne. Die benachbarten französischen Gemeinden protestieren gegen die Massnahme. Sie sei ohne Absprache beschlossen worden. (SH) Mehr dazu in der Online-«Revue»: www.revue.link/schule «20 Minuten», die auflagestärkste Schweizer Tageszeitung, stellt ihre Druckausgabe ein «20 Minuten», die mit 330000 deutschen und 130 000 französischen Exemplaren auflagestärkste Tageszeitung der Schweiz, stellt Ende Jahr ihre Druckausgabe ein und fokussiert sich ganz auf ihren Online-Auftritt. Der Schritt illustriert die Schwierigkeiten und den rapiden Wandel, den die Schweizer Printmedien erfahren. In den letzten zehn Jahren schrumpfte die Auflage der führenden Tageszeitungstitel von 2,51 Millionen auf 1,34 Millionen Exemplare. (MUL) Angela Koller Sie ist Juristin, 42, gehört der Mitte-Partei an und sitzt seit April in der Regierung von Appenzell Innerrhoden. Auf den ersten Blick tönt das unspektakulär. Doch für den kleinen Ostschweizer Kanton ist Angela Kollers Wahl historisch: Zum ersten Mal wählte die Landsgemeinde – die traditionelle Versammlung der Stimmberechtigten unter freiem Himmel – eine Frau zum Landammann, wie hier das Regierungspräsidium heisst. Koller ist die erste Regierungspräsidentin in dem Kanton, der als letzter in der Schweiz das Frauenstimmrecht einführte. Und das nicht freiwillig: Das Bundesgericht zwang ihn 1990 dazu. 35 Jahre später sagt die frisch Gewählte, sie habe als Kantonsparlamentarierin viele Frauen gehört, «die sich eine stärkere Repräsentation wünschen». Das habe sie motiviert zu kandidieren. Mit ihrem Leistungsausweis setzte sie sich, wie üblich per Handmehr, gegen drei Konkurrenten durch. Koller leitete die Parlamentskommission, die für die Totalrevision der Kantonsverfassung zuständig war, und stand der Appenzeller Arbeitnehmervereinigung vor. In Innerrhoden zählen Verbände oft mehr als Parteien. Politisiert wurde Koller früh: Im Wirtshaus ihrer Eltern im ländlichen Gonten hörte sie die Debatten am Stammtisch. Seit ihrer Schulzeit liest sie «fürs Leben gern» und gibt heute Literaturtipps auf Instagram. In der Regierung führt sie zunächst das Erziehungsdepartement. Die Leitung der Exekutive übernimmt sie turnusgemäss in zwei Jahren – in Innerrhoden wechseln sich zwei Landammänner ab. Die Frauen des Kantons hatten lange kein Stimmrecht, aber wirtschaftliche Macht: Ihre Handstickerei war eine wichtige Einkommensquelle. Nun stehen sie auch politisch an der Spitze. SUSANNE WENGER Schweizer Revue / Oktober 2025 / Nr.4 8 Herausgepickt Nachrichten

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