Schweizer Revue 6/2021

Schweizer Revue / Dezember 2021 / Nr.6 22 Gesellschaft JÜRG STEINER «Wer den Rappen nicht ehrt, ist des Frankens nicht wert»: Das Sprichwort suggeriert, dass die Beziehung von Schweizerinnen und Schweizern zu ihren Noten und Münzen mitunter eng, um nicht zu sagen ehrfürchtig sein kann. Und zwar unabhängig davon, ob jemand vermögend ist oder nicht. Die Praxis, 5-, 10-, 20- oder 50-Rappen-Stücke in einem leeren Konfitürenglas abzulegen, einmal im Jahr Kassensturz zu machen und sich mit dem Ertrag ein Extra zu leisten, gehört zum Kanon der Jugenderinnerungen. Gelegentlich erwächst daraus ein lebenslanger Sammlerehrgeiz. Zum Beispiel dann, wenn man die Ambition entwickelt, die komplette Jahrgangsreihe einer Münze seit ihrer ersten Prägung zusammenzukriegen. Bezahlen wie 1879 In dieser Disziplin ist es neuerdings sogar möglich, einen Weltrekord zu erzielen, wie die eidgenössischeMünzstätte Swissmint festhält. Das 10-Rappen-Stück aus dem Jahr 1879 sei «die älteste sich noch im Umlauf befindlicheMünze derWelt», beglaubigt sogar von denMachern des Guinness-Buchs der Weltrekorde. Seit gut 140 Jahren wird der Zehnräppler, der einen Frauenkopf im Profil zeigt, unverändert hergestellt, und selbst derjenige mit demPrägedatum 1879 kann bis heute als gesetzliches Zahlungsmittel eingesetzt werden. Die emotionale Nähe vieler Schweizerinnen und Schweizer zu Münzen und Noten ihrer Landeswährung wirkt gegenüber der Alltagsrealität allerdings fast romantisch. Denn die Gewohnheit, sie zumBezahlen zu gebrauchen, ist nicht mehr unbestritten. Bargeld bald überflüssig? In ihrer jüngsten Zahlungsmittelumfrage hat die schweizerische Nationalbank kürzlich eine Art Epochenwende festgestellt: Erstmals übertraf der Transaktionswert der mit Debitkarten getätigten Zahlungen die Summe der mit Noten und Münzen aus dem Portemonnaie beglichenen Ausstände. Nur bei Beträgen bis 20 Franken wird noch öfter bar bezahlt, ansonsten ist das Plastikgeld der Favorit beimGeldausgeben. Zwei Faktoren haben laut der Nationalbank denWandel beschleunigt: Der technologische Fortschritt in Paradoxe Liebe Schweizerinnen und Schweizer bezahlen immer seltener mit Bargeld, bewahren aber immer mehr Noten und Münzen zu Hause oder im Safe auf. Der vermeintlich drohenden Abschaffung des Bargelds soll jetzt mit einer Volksinitiative begegnet werden. 1 cm Weltrekordmünze: Das Schweizer 10-Rappen-Stück wird seit 1879 in unveränderter Form geprägt. Foto Swissmint

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