Schweizer Revue 1/2022

Schweizer Revue / Februar 2022 / Nr.1 3 Die 1932 fertiggestellte Staumauer namens «Spitallamm» verriegelt in den Berner Alpen eine schmale Felsenkluft. Hinter ihr liegt der fünf Kilometer lange Grimselsee. Inzwischen ist die Mauer ein in die Jahre gekommenes, 114Meter hohes Denkmal aus 840000 Tonnen Beton: ein Denkmal aus der Epoche, als die Schweiz ihren erwachenden Energiehunger stillte, indem sie vielerorts Gebirgsflüsse zu Seen staute und derenWasser imTal Turbinen auf Hochtouren bringen und Stromerzeugen liess. Heute steht die Staumauer am Grimselsee nicht so ungestört da, wie dies unser Titelblatt vermuten lässt. Unmittelbar vor der altenwird eine neue, schlankere Bogenmauer hochgezogen. Ist sie – wohl in drei Jahren – fertig gebaut, wird die alte Staumauer einfach überflutet. Dannwird sich das neue Bauwerk gegen denmächtigenDruck des Sees stemmen. Und der Grimselsee bleibt weitere Jahrzehnte verlässlicher Teil der Stromproduktion. Allerdings bleiben in der Schweiz spektakuläreWasserbauprojekte selten so unwidersprochenwie das eben geschilderte. Entstehen auf demReissbrett neue Talsperren oder wird erwogen, weitere frei fliessende Flüsse für die Stromerzeugung zu nutzen, ist heftige Opposition seitens des Natur- und Landschaftsschutzes gewiss. Der Blick auf die Wasserkraftnutzung ist über die Jahre kritischer geworden. Anders als in den Pionierjahren stehen heute auch deren Kehrseiten im Fokus: Wer Dämme baut, greift in grossem Stil in die Natur ein, versenkt ganze Landschaften, entzieht den FlüssenWasser, verändert die hydrologischen Begebenheiten. Unser aktueller Schwerpunkt (ab Seite 6) zeigt: Genau deshalb sind in der Schweiz dem Ausbau der Wasserkraft Grenzen gesetzt. Das ist von Belang, denn die Schweiz will vermehrt auf erneuerbare, CO₂-freie Energie – Wasser, Wind und Sonne – setzen. Der Umbau ist aber geprägt von erheblichen Reibungen. Während die Schweiz viel Routine im Bau grosser Kraftwerke jeder Art hat, verläuft beispielsweise der Ausbau der dezentralen, kleinmassstäblichen Solarenergienutzung schleppend. Der Unterschied zwischenWissen undHandeln ist da besonders gross. So haben zahlreiche Schweizer Gemeinden akkurat errechnet, wie viel Solarenergie auf die bereits bestehendenDächer einstrahlt. Es ist oftmehr Energie, als die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Gemeinden brauchen können. Trotzdemdarf man auch in diesen Gemeinden Neubauten hochziehen, ohne dass dabei Solarzellen aufs Dach kommen. Vor demHintergrund solcher Beispiele wird verständlicher, warumder Applaus für neue Staudämme in der Schweiz sehr lau geworden ist. MARC LETTAU, CHEFREDAKTOR Editorial 5 Briefkasten 6 Schwerpunkt Die Nutzung der Wasserkraft erfüllt die Schweiz mit Stolz – und Zweifel 10 Wirtschaft Die Flüssigwürze Maggi ist eine kulinarische Erfolgsgeschichte 12 Gesellschaft Das Bergdorf Albinen lässt sich neue Dorfbewohner etwas kosten 14 Politik Das Ja zur Pflegeinitiative ist für die Betroffenen ein historischer Erfolg 16 Schweizer Zahlen Nachrichten aus Ihrer Region 17 Literatur Iris von Rotens Kampf für die Rechte der Schweizer Frauen 18 Schweiz extrem Erstfeld–Bodio: verbunden durch den längsten Eisenbahntunnel der Welt 21 Gesehen Das Game «Mundaun» bietet: Schweizer Horror, handgemacht 25 Swisscommunity-News 25 Aus dem Bundeshaus 30 Gelesen / Gehört 31 Herausgepickt / Nachrichten Inhalt 840000 Tonnen Beton Titelbild: Die über 90 Jahre alte Staumauer am Grimselsee im Berner Oberland. Foto: 13 Photo AG, Claudio Bader Herausgeberin der «Schweizer Revue», dem Informationsmagazin für die Fünfte Schweiz, ist die Auslandschweizer-Organisation.

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