Schweizer Revue 2/2022

Schweizer Revue / April 2022 / Nr.2 20 Gesellschaft SUSANNE WENGER Sie warten, sie bangen, sie hoffen: 1434 Menschen standen Ende letzten Jahres auf der Warteliste der Stiftung Swisstransplant für ein neues Organ. Für 72 Personenwar der ersehnte Anruf 2021 nicht rechtzeitig gekommen; sie starben, während sie auf ein passendes Organwarteten. Imgleichen Jahr durften Organe von 166 Verstorbenen transplantiert werden. Das waren zwar mehr als im Vorjahr, trotzdem weist die Schweiz im europäischen Vergleich eine geringe Spenderate auf. AnUnwille scheint das nicht zu liegen: Die Mehrheit steht der Organspende gemäss Umfragen positiv gegenüber. Allerdings machen nur die wenigsten den Schritt, dies aktivmit einemSpenderausweis zu bekunden. Um das Potenzial zu erschliessen, wollen Bundesrat und Parlament das Systemwechseln. Seit 2007 gilt in der Schweiz die Zustimmungslösung. Das heisst: Eine Organentnahme nach ärztlich festgestelltem Hirntod ist nur dann zulässig, wenn die betreffende Person dem zu Lebzeiten zugestimmt hat. Künftig soll es gerade umgekehrt sein.Wer die eigenenOrgane nicht spenden will, muss das deklarieren. Es ist die sogenannte Widerspruchslösung, wie sie in mehreren europäischen Ländern gilt, darunter Frankreich, Italien, Österreich und Spanien. Was auffällt: Überall da stellen mehr Menschen ihre Organe zur Verfügung als in der Schweiz. Neuere Forschung belege, dass dies unter anderem dank der Widerspruchsregelung so sei, hielt der Bundesrat in seiner Botschaft ans Parlament fest. Sicherungen eingefügt Die Landesregierungwurde aktiv, weil einKomitee aus der Westschweiz 2019 die Volksinitiative «Organe spenden – Leben retten» eingereicht hatte. Die Initiative verlangt den Wechsel zumWiderspruchsprinzip und will dieses strikt umsetzen. Das ging dem Bundesrat jedoch zu weit. Er schlug demParlament als indirektenGegenvorschlag eine Änderung des Transplantationsgesetzes vor, die zwar die Widerspruchsregel einführt, abermit Sicherungen. Sowird ein Mitspracherecht der Angehörigen beibehalten. Sie sollen wie heute zum mutmasslichen Willen des Verstorbenen befragt werden, wenn nichts Schriftliches vorliegt. Neue Organspende-Regel: segensreich oder übergriffig? In der Schweiz mangelt es an Spenderorganen wie Herzen, Lungen oder Nieren. Deshalb wollen Bundesrat und Parlament das System ändern: Neu soll als Organspender gelten, wer sich zu Lebzeiten nicht dagegen geäussert hat. Weil das Referendum ergriffen wurde, entscheidet im Mai die Stimmbevölkerung. Szene in einem Zürcher Spital: Die Kühlbox mit dem Spenderherz trifft im Operationssaal ein. Foto Keystone

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx