Schweizer Revue 4/2022

Dichte Folge von Forderungen, die AHV umzubauen Seit 2014 gibt der AHV-Fonds mehr Geld aus, als er einnimmt. Mit der Reform «AHV 21» wollen Bundesrat und Parlament Einnahmen und Ausgaben bei der AHV ins Gleichgewicht bringen und das Leistungsniveau der Renten halten. Zur Finanzierung sollen die Mehrwertsteuer um 0,4 Prozentpunkte angehoben und das Referenzalter der Frauen von 64 auf 65 Jahre erhöht werden. Gleichzeitig wird der Zeitpunkt des Rentenbezugs flexibler wählbar, zwischen frühestens 63 und spätestens 70 Jahren, möglich wird auch ein schrittweiser Rentenbezug. Eine Arbeitstätigkeit über das Referenzalter von 65 Jahren hinaus kann den Rentenbetrag erhöhen und soll Anreiz für eine längere Erwerbstätigkeit sein. Die Initiative der Jungfreisinnigen Schweiz zur «Flexibilisierung des Rentenalters» verlangt die Erhöhung des Rentenalters von Männern und Frauen auf 66 Jahre, anschliessend soll es mit der Lebenserwartung weiter steigen. Berufsspezifische und flexible Lösungen und Vorsorgemodelle sollen für jene Personen entwickelt werden, die nicht bis im Alter von 66 Jahren arbeiten können. Die Initiative «Für ein besseres Leben im Alter» wurde von Gewerkschaften und Linksparteien eingereicht. Sie verlangt für alle Rentenbezügerinnen und -bezüger eine 13. AHV-Rente, und zwar ohne Nachteile für die Höhe der Ergänzungsleistungen respektive den Anspruch darauf. Lanciert ist zudem bereits das nächste Volksbegehren, mit dem Gewerkschaften und SP in Sachen AHV nachdoppeln wollen: Künftig müsse ein Teil der Gewinne der Schweizerischen Nationalbank zur Sicherung der Renten eingesetzt werden, lautet die neue Forderung («Nationalbankgewinne für eine starke AHV»). (DLA) Alle eidgenössischen Abstimmungen vom 25. September 2022 im Überblick Volksinitiative gegen Massentierhaltung Die Würde von Nutztieren in der Landwirtschaft soll in der Verfassung geschützt und die Massentierhaltung verboten werden. Dies verlangt eine Volksinitiative, hinter der Tierschutz- und Umweltorganisationen stehen. Sie wollen der industriellen Aufzucht von Hühnern, Schweinen und Rindern in fabrikähnlichen Betrieben ein Ende setzen. Demnach soll der Bund Kriterien festlegen für tierfreundliche Ställe, den Zugang ins Freie und das Schlachten. Aus Sicht der Gegner ist die Initiative jedoch überflüssig. Bereits heute kümmerten sich die Bauern ums Wohl ihrer Tiere. Zudem verfüge die Schweiz über ein strenges Tierschutzgesetz. Mehr zum Thema Seiten 26 und 27. AHV-Reform – mit zwei Abstimmungsfragen Künftig sollen Frauen erst mit 65 Jahren – statt wie bisher mit 64 – in Pension gehen. Damit wollen Bundesrat und Parlament die finanzielle Zukunft der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) sichern. Frauen der Jahrgänge 1960 bis 1968, die von der Neuerung am stärksten betroffen wären, erhalten als Kompensation einen Rentenzuschlag. Um diesen Ausgleich zu finanzieren, soll die Mehrwertsteuer von heute 7,7 Prozent um 0,4 Prozentpunkte angehoben werden. Dem Stimmvolk werden an der Urne zwei Vorlagen unterbreitet: Die Änderung des AHV-Gesetzes mit der Erhöhung des Frauenrentenalters sowie ein Bundesbeschluss zur Zusatzfinanzierung durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die Linke und die Gewerkschaften lehnen das Reformpaket «auf dem Buckel der Frauen» rundum ab und warnen vor weiteren Abbauplänen bei der Altersvorsorge. Mehr zum Thema Seiten 13–15. Teilabschaffung der Verrechnungssteuer Mit einer Änderung des Verrechnungssteuergesetzes wollen Bundes- rat und Parlament den Fremdkapitalmarkt und damit den Wirtschaftsstandort Schweiz stärken. Konkret soll die Verrechnungssteuer auf Zinserträgen bei Schweizer Obligationen gestrichen werden. Zudem werden diese Wertpapiere von der sogenannten Umsatzabgabe befreit. Gegen die Vorlage, die zu jährlichen Steuerausfällen von mehreren Hundert Millionen Franken führt, wehren sich SP, Grüne und Gewerkschaften. Sie kritisieren, dass nur reiche Anleger von den Erleichterungen profitierten, und die Vorlage ein Freipass für «Steuerkriminalität» sei. (TP) Die Altersvorsorge steht am Scheideweg, die Lage spitzt sich zu: Diese Aussage steht im Argumentarium des linken Komitees der 13. AHV-Rente. Sie könnte aber genauso gut von der Gegenseite stammen. Die Optionen für eine Entspannung heissen je nach politischer Ausrichtung länger arbeiten, weniger Rente beziehen, höhere Lohnbeiträge bezahlen, Mehrwertsteuer anheben, Erbschaftssteuern in die AHV leiten oder ein Mix davon. Oder den AHV-Fonds mit Geldern der Nationalbank alimentieren, wie es SP und Gewerkschaften nun mit einer weiteren Volksinitiative planen. Mit Blick auf die Abstimmung im Herbst lässt sich sagen: Auf der AHV-Baustelle wird weitergearbeitet. Noch ist nicht klar, nach welchem Plan. Schweizer Revue / August 2022 / Nr.4 15

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