Schweizer Revue 1/2023

Und sie tut dies mit eindrücklichem Erfolg: Die Kläranlage ist einer der Hauptgründe, weshalb es dem Brienzersee im Vergleich mit anderen Schweizer Seen im Moment sehr gut geht. Der grosse und in den 1980erJahren noch stark stickstoffbelastete See am Alpenrand gilt als der wohl sauberste See der Schweiz. Er hat ein verhältnismässig intaktes Ökosystem, in welchem tierische Organismen – etwa Krebstiere wie Wasserflöhe, Insektenlarven oder Würmer – besonders gut gedeihen. Diese Organismen dienen den Fischen als Nahrung. Ist ihr Anteil in einem Gewässer hoch, ist das ein Indikator dafür, dass dieses relativ unverschmutzt ist. Vor einem Jahr wurde dem Brienzersee dieser positive, biologische Zustand in einem Bericht bescheinigt, den das Bundesamt für Umwelt erstellen liess. Fischer und Fische erlebten schwierige Zeiten Der gute Zustand von heute steht in starkemKontrast zu den zurückliegenden, sorgenvollen Jahren. Zu den sehr Besorgten gehörte Beat Abegglen. Er ist ausgebildeter Fischer und wohnt in Iseltwald, dem kleinen, ehemaligen Fischerdorf am südlichen Ufer des Brienzersees. Ende der 1980er-Jahre baute er sich dort seine Fischerei auf. Doch kurz darauf brachen die Fangerträge ein. «Mitte der 1990er-Jahre waren die Fische im vierten Lebensjahr zwischen 150 und 200 Gramm schwer, um die Jahrtausendwende dann im Schnitt noch rund 40 Gramm», sagt Beat Abegglen. «Ein solcher Gewichtsverlust und drastischer Rückgang der Fangerträge ist immer ein Zeichen dafür, dass in einem Gewässer etwas nicht stimmt.» In derselben Zeit wie Beat Abegglen stellten die Fachleute des Gewässerschutzamtes des Kantons Bern fest, dass auch die Wasserflöhe, die sogenannten Daphnien, verschwunden waren. Von den Wasserflöhen, die einen Teil des Planktons bilden, ernähren sich die Felchenfische hauptsächlich. Sie sind die am stärksten verbreitete Fischart im Brienzersee. Aufgrund all dieser Beobachtungen gab der Kanton Bern ein Forschungsprojekt in Auftrag mit dem Ziel herauszufinden, welches die Gründe für den Rückgang des Fischertrags und der Wasserflöhe sind. Die Untersuchungen zeigten, dass die beobachteten Veränderungen mit demNährstoffrückgang im See zusammenhängen. Hauptgrund für den Nährstoffrückgang war der massiv reduzierte Eintrag von Phosphor – etwa aus Fäkalien sowie Wasch- und Reinigungsmitteln – in den See. Dieser Rückgang ist gemäss Forschungsbericht wiederum auf «die jahrzehntelangen Anstrengungen beim technischen Gewässerschutz» zurückzuführen, – also auf die gute Arbeit, die in der Kläranlage geleistet wird. Für den von Natur aus bereits nährstoffarmen Brienzersee hatte dieser Erfolg im Gewässerschutz also seine Schattenseite: «Das geringe Nährstoffangebot schränkt das ohnehin bescheidene Algenwachstum ein Die neue Brienzer Abwasserreinigungsanlage, die Michael Baumann überwacht, ist in sehr hohem Mass für die gute Wasserqualität im See verantwortlich. Beat Abegglen schaut als Fischer auf schwierige Jahre zurück. Erst brachen die Fangerträge ein. Inzwischen zieht er wieder mehr Fische aus dem See. 11

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