Schweizer Revue 1/2023

und schmälert die Nahrungsgrundlage des Planktons, wodurch auch die Felchen weniger Futter finden», heisst es im Bericht. Der Rückgang der Fischerträge im Brienzersee führte in Fischereikreisen, aber auch in der Politik zu Diskussionen. So wurde etwa gefordert, den Phosphoreintrag in die Gewässer durch eine Reduktion der Reinigungsleistung von Kläranlagen künstlich zu erhöhen. Der Kanton lehnte allerdings ab. Willentlich dreckigeres Wasser in den See zu leiten, war umweltpolitisch nicht opportun. Klimaerwärmung verbessert Futterproduktion Weil der Rückgang der Fischerträge so massiv war, musste Beat Abegglen seinen Beruf als Fischer aufgeben. Heute betreibt er seine Fischerei als Hobby und übt hauptberuflich eine andere Tätigkeit aus. Seinen Fisch verkauft er an Kunden in der Region, die flexibel auf seine Fangerträge reagieren. Allerdings: Seit vier Jahren nehmen die Fangerträge von Beat Abegglen wieder zu. Die Fische sind nicht mehr nur rund 40, sondern zwischen 170 und 180 Gramm schwer. «Parallel dazu gibt es wieder mehr Weissfische und Egli», sagt Beat Abegglen. Theoretisch könnte Abegglen nun wieder vom Fischen leben. Doch das will er nicht mehr: «Die Sicherheit eines festen Einkommens gebe ich nicht auf.» Weshalb es den Fischen nun wieder besser geht, dafür hat Beat Abegglen eine Erklärung: Das Wasser, welches aus den Zuflüssen in den Brienzersee gelangt, ist wärmer als noch vor einigen Jahren. Grund dafür ist laut Beat Abegglen die Klimaerwärmung. «Durch das Abschmelzen der Gletscher floss jahrelang sehr kaltes Wasser in den Brienzersee». Nun ist das Gletschervolumen deutlich kleiner geworden und es fliesst weniger Gletscherwasser in die Aare und die Lütschine, welche die Hauptzuflüsse des Brienzersees bilden. Die Flüsse transportieren auch weniger Geschiebe in den See. Entsprechend ist der See weniger trüb, das Sonnenlicht dringt dadurch tiefer in den See. Die Wärme des Wassers und die Einstrahlung des Sonnenlichts in grosse Tiefen haben einen Einfluss auf die Planktonproduktion im See. «Es wird so mehr Futter für die Fische produziert», sagt Beat Abegglen. Ein labiler See seit Jahren Ob sich das Ökosystem des Brienzersees auch weiterhin so gut halten kann, ist schwer vorhersehbar. «Der Brienzersee war eigentlich schon immer in einem labilen Zustand», sagt Beat Abegglen. Dies steht auch im Forschungsbericht des Kantons Bern. Hinzu kommt, dass es auch mit der neuen Kläranlage noch nicht möglich ist, alle Stoffe aus dem Abwasser zu eliminieren. Wie sich sogenannte Mikroverunreinigungen künftig auf das Ökosystem des Sees auswirken, weiss niemand. Aber: «In ein paar Jahren wird es bestimmt möglich sein, dass man diese in den Kläranlagen herausfiltern kann», sagt Klärmeister Michael Baumann. Der Faszination für den grössten Bergsee in der Schweiz tut das allerdings keinen Abbruch. Er ist und bleibt ein beliebtes Ausflugsziel – auch seiner besonderen Farbe wegen: In diesem Jahr verzeichnete die kommerzielle Schifffahrt auf dem Brienzersee die höchste Besucherzahl seit zehn Jahren: 496 000 Passagiere liessen sich auf einem Schiff auf dem See herumfahren. Das sind rund 179000 Gäste mehr als 2013. Im Gegensatz zum benachbarten Thunersee ist der Brienzersee vor allem Ausflugsziel für ausländische Gäste. Dennoch sei der Rummel nie so gross wie auf anderen Seen, sagt Beat Abegglen, der auch nach über 30 Jahren Fischen immer noch fasziniert ist vom Brienzersee: «Ende August sieht man jeweils viele Sternschnuppen über dem See. Es sind so viele, dass man in diesem Moment ganz ehrfürchtig und klein wird.» In Iseltwald ragt eine pittoreske Halbinsel in den Brienzersee. Und während des Sommers durchpflügen historische Raddampfer das oft smaragdgrüne Wasser des Bergsees. Fotos Keystone © Swisstopo Schweizer Revue / Januar 2023 / Nr.1 12 Reportage

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