Schweizer Revue 1/2024

von Missbräuchen einsetzen soll. Andernfalls wird im Herbst 2024 die zweite Hälfte der jährlichen Gelder ans Bistum zurückbehalten. Eine Sonderkommission der Synode will beurteilen, ob die Anstrengungen genügen. «Ein Paukenschlag donnert durch die katholische Kirche», kommentierte das Infoportal kath.ch. «Mein Vorgesetzter ist der Papst» Der Basler Bischof, der als Hoffnungsträger galt, war befremdet über den konfrontativen Beschluss des Kirchenparlaments. Ein Teil der Forderungen sei ja schon umgesetzt, argumentierte er, andere brächten die Schweizer Bischöfe in Rom vor. Vieles könne er nicht in Eigenregie erfüllen: «Mein Vorgesetzter ist der Papst und sonst niemand», so Gmür an die Adresse der Synode. Weitere Kantonalkirchen schlossen sich den Luzernern inhaltlich an, verzichteten aber darauf, Sanktionen vorzusehen. Einig sind sich viele darin, dass die Missbrauchsgeschichte tieferliegende Probleme in der katholischen Kirche offenlegt. Nicht nur bezüglich hierarchischer Strukturen, auch mit Blick auf Haltungen und Anschauungen. Laut der römisch-katholischen Zentralkonferenz braucht es eine «Abkehr von der leibesfeindlichen und homophoben Sexualmoral» sowie «die uneingeschränkte Anerkennung eines freien partnerschaftlichen Lebens für kirchliche Mitarbeitende». Auch die Zürcher Forschenden werfen in ihrer Studie die Frage auf, ob «katholische Spezifika» sexuellen Missbrauch allenfalls begünstigt haben: die Sexualmoral, das Zölibat, die Geschlechterbilder innerhalb der Kirche, ihr ambivalentes Verhältnis zur Homosexualität. Dem – wie auch weiteren Aspekten – gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach. Auf ihre Pilotstudie folgt vertiefte Forschung. Diese hat die Kirche bis 2026 zugesichert. Die Studie ist unter diesem Link verfügbar (in Deutsch): revue.link/kirche Der Churer Bischof Joseph Bonnemain musste den Vertuschungsvorwürfen gegen Mitbischöfe nachgehen. Rom setzte ihn als Ermittler ein. Foto Keystone der Voruntersuchung. Dieser setzt sich in seiner Diözese stark gegen Missbrauch ein. Kritiker bezweifelten indes, dass er unabhängig gegen Mitbischöfe ermitteln könne. Worauf Bonnemain eine Strafrechtlerin und ein Kantonsrichter zur Seite gestellt wurden. Der Churer Bischof wollte seinen Bericht bis Ende 2023 abliefern (nach Redaktionsschluss dieser «Schweizer Revue»). Je nach Ergebnis kann die päpstliche Behörde Disziplinarmassnahmen aussprechen oder kirchliche Strafverfahren eröffnen. In Teilen der Basis verfestigte sich derweil der Eindruck, die Bischöfe würden trotz gegenteiliger Beteuerungen Schwachstellen beim Thema Missbrauch nicht entschieden genug angehen. Die Römisch-Katholische Zentralkonferenz erhob mehrere Forderungen. Diese zielen unter anderem auf Gewaltentrennung im Kirchenrecht ab. So brauche es ein schweizweites kirchliches Strafgericht, in das Laien und Fachpersonen eingebunden seien. Aufstand in den Stammlanden Katholische Kirchgemeinden landauf, landab bekamen den Unmut nach der Publikation der Studie durch eine Austrittswelle zu spüren. Die Kirchenflucht hält freilich schon länger an und trifft neben den Katholiken als grösste Landeskirche auch die Reformierten als zweitgrösste. Tausende kehren jährlich den beiden Kirchen den Rücken. Im Kanton Luzern, also in katholischen Stammlanden, war die Landeskirche nun derart alarmiert, dass sie zum offenen Aufstand überging. Vierzehn Kirchgemeinden beschlossen im September, Kirchensteuer-Zahlungen an ihr Bistum Basel zu sperren (siehe Interview). Im November stellte sich die Synode, das Parlament der Landeskirche im Kanton Luzern, hinter die Rebellinnen. Sie überwies einen Vorstoss, wonach sich der Basler Bischof Felix Gmür für eine griffigere Bekämpfung Die Kirchenbänke – hier in St. Gallen – lichten sich seit Jahren. Die römisch- katholische Kirche sieht sich mit vielen Kirchenaustritten konfrontiert. Foto Keystone Schweizer Revue / Januar 2024 / Nr.1 6 Schwerpunkt

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