Schweizer Revue 2/2022

Schweizer Revue / April 2022 / Nr.2 24 Kultur Heiratende Paare, wankende Berggipfel 19,2 Das Jahr 2022 begann in der Schweiz mit meteorologischen Rekorden, von denen man gar nicht mehr recht weiss, ob man sich darüber freuen soll. So kletterte am 1. Januar das Thermometer im alpinen Poschiavo (GR) auf 19,2 Grad. Besonders frostig ist das nicht. Der ganze Januar war an 13 von 14 Schweizer Messstationen überdurchschnittlich warm. 22. 2. 22 Schweizer Paare heiraten lieber im Sommer als im Winter. Der heurige Februar fällt da ganz aus der Reihe. Aber es liegt nicht am milden Wetter. Vielmehr animiert ein Datum voller Zweien viele zur ehelichen Zweisamkeit: Am 22. 2. 22 waren schweizweit praktisch alle Traulokale ausgebucht. Hoffentlich war das leicht zu merkende Datum nicht der einzige Grund, sich das Ja-Wort zu geben. 6,2 Das Buch ist tot. Doch die Statistik widerspricht: In der Schweiz stieg 2021 der Umsatz des Buchhandels zum dritten Mal in Folge. Um 5 Prozent stieg der Bücherverkauf. Gleich um 6,2 Prozent legte die Belletristik zu. Und da sind in den Top 10 gleich sechs Schweizer Autorinnen und Autoren: Donna Leon, Benedict Wells, Christine Brand, Joël Dicker, Arno Camenisch und Silvia Götschi. 9 000 000 000 9 Milliarden Zigaretten werden in der Schweiz jährlich geraucht. Nun zeigen sich starke Rauchzeichen: Zeitgleich mit dem Beginn der Pandemie stieg Zigaretten- und Tabakkonsum wieder – erstmals seit zehn Jahren. Um vier Prozent legte der Verkauf zu. Experten nennen als einen der Gründe das gängig gewordene Homeoffice. 2 Die Zahlen dieser Rubrik stehen oft für Wandel. Darum wenden wir uns nun dem unverrückbaren und massiven Matterhorn zu. Nur: Auch da liefern Forschende bewegende Neuigkeiten. Der Berggipfel ist ständig in Bewegung, schwingt alle zwei Sekunden um wenige Mikrometer hin und her – angeregt durch seismische Wellen in der Erde. Der Gipfel bewegt sich über zehnmal stärker als der Fuss des Berges. Ein bisschen so, wie der Wipfel eines Baumes. ZAHLENRECHERCHE: MARC LETTAU Schweizer Zahlen in dem er die enge Beziehung zwischen der Sammlung Bührle, der linken Zürcher Stadtregierung und demKunsthaus Zürich auffächert, darlegt. Eine verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit der Sammlung Bührle sei der Standortpolitik – also demWillen, Zürich als Kunstmetropole aufzuwerten – geopfert worden, kritisiert Keller. Das Ziel sei es, so Keller, die Sammlung von ihrem Begründer zu lösen – damit dieKunst nichtmehr dieWaffenfabrik oder denWaffenhändler repräsentiere, sondern die Kulturstadt Zürich. Diese Ausgangslage habe zum Beispiel die ungenügende Erforschung der Provenienzen der Bührle-Bilder begünstigt, findet Keller. Ist wirklich abschliessend geklärt, dass sich unter den Bildern keine Raubkunst befindet? Tatsächlich war dafür der Direktor der Bührle-Sammlung selber zuständig –was inzwischen auch ehemaligeMitglieder der Bergier-Kommission bewogen hat, eine unabhängige Überprüfung zu fordern. Zürich ist damit weit weg etwa vom Kunstmuseum Bern, das vom 2014 verstorbenen Kunsthändler Cornelius Gurlitt als Erbe der Sammlung seines Vaters Hildebrand, einem Nazi-Kunsthändler, eingesetzt wurde. Bern gleiste eine unabhängige Provenienzforschung und eine offensive Rückgabepraxis auf –was beimauswärtigen Schenker Gurlitt wohl leichter fiel als bei demmit der Zürcher Elite aufs Engste verflochtenen Bührle. Trotzdemzeichnet sich in der hitzigenAuseinandersetzung inZürich nun Bewegung ab. Stadtpräsidentin Corine Mauch hat angekündigt, dass die Stadt bei der Stiftung Bührle und bei der Darstellung imKunsthaus-AnbauNachbesserungen einfordert. «Die Bührle-Debatte tut uns gut, auchwenn sie uns weh tut», hielt sie gegenüber der «Neuen Zürcher Zeitung» fest. Die Bührle-Sammlung (in Deutsch): revue.link/buehrle Erich Keller, «Das kontaminierte Museum»: revue.link/keller Paul Cézannes «Knabe mit roter Weste» ist eines der hochkarätigen Werke der Bührle-Sammlung. Es wurde 2008 gestohlen, in Belgrad wieder sichergestellt – und hängt heute im Zürcher Kunstmuseum. Foto Keystone

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