Schweizer Revue 4/2023

Selenski spricht vor Schweizer Parlament Die Schweiz hat dem ukrainischen Staatspräsidenten Wolodimir Selenski die Möglichkeit gewährt, sich per Video-Schaltung direkt ans Schweizer Parlament zu wenden. Selenski bat in seiner kurzen Rede vom 15. Juni 2023 unter anderem um eine Friedenskonferenz in der Schweiz. In den Tagen vor Selenskis Auftritt häuften sich massive Cyberangriffe prorussischer Hacker auf die IT-Infrastruktur der Schweiz. Die Webdienste von Bundesverwaltung und Parlament sowie zahlreiche offizielle Webseiten von Schweizer Städten wurden lahmgelegt. Kurz zuvor wurden bei Hacking-Angriffen Informationen des Bundesamtes für Polizei, des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit, von Kantonspolizeien und des staatlich beherrschten Rüstungskonzerns Ruag gestohlen. (MUL) Die Schweizer EU-Unterhändlerin tritt zurück Livia Leu, die Schweizer Chefunterhändlerin mit der Europäischen Union (EU), tritt auf eigenen Wunsch zurück. Sie wird im Herbst Botschafterin in Berlin. Der Abgang von Leu nach weniger als drei Jahren im Amt kommt für die Schweiz zu einem heiklen Zeitpunkt: Die Sondierungsgespräche zwischen der Schweiz und der EU über ein neues Abkommen befinden sich in einer wichtigen Phase. Leu hat den Ruf, eine dossierfeste und hartnäckige Diplomatin zu sein. Gleichzeitig galt ihr Verhältnis zu Aussenminister Ignazio Cassis zuletzt als angespannt. Der diplomatische Top-Job ist von vielen Wechseln geprägt: In den letzten zehn Jahren hatten vor Leu schon Roberto Balzaretti, Pascale Baeriswyl, Jacques de Watteville und Yves Rossier den Posten des Chefunterhändlers respektive der Chefunterhändlerin mit der EU inne. (MUL) Thomas Zurbuchen beglückt die ETH Zürich Der ehemalige Forschungschef der US-Raumfahrtsbehörde Nasa, der Schweizer Thomas Zurbuchen (55), kehrt zurück in die Schweiz und stellt sich in den Dienst der ETH Zürich. Dort wird er ab August 2023 als Professor für Weltraumwissenschaft und -technologie die Initiative «ETH Zürich Space» leiten. Zurbuchen gilt als einer der einflussreichsten Forscher der Welt und er prägte bei der Nasa die Weltraumwissenschaft entscheidend mit. Laut ETH-Präsident Joël Mesot hat sich Zurbuchen «trotz zahlreicher Angebote von Top-Universitäten aus der ganzen Welt für die ETH Zürich entschieden.» (MUL) 100 Millionen aus Russland für Unicef Schweiz Unicef Schweiz hat eine Spende von 100 Millionen Franken erhalten – und zwar vom dissidenten russischen Journalisten und Nobelpreisträger Dmitri Muratow. Muratow erhielt 2021 den Friedensnobelpreis. Seine unabhängige russische Zeitung «Nowaja Gaseta» musste er auf behördlichen Druck einstellen. Muratow entschied sich dann, seine goldene Nobelpreismedaille in New York zu versteigern. Den gesamten Erlös spendete er an Unicef Schweiz und Liechtenstein. Die Organisation leistet auch in der Ukraine Nothilfe. (MUL) Alain Berset Bundesrat Alain Berset sitzt im blauen Anzug in New York auf einem Randstein und studiert seine Notizen. Locker wie ein Gymnasiast, lässig wie ein Künstler, weltläufig wie ein Diplomat. Das Bild, 2018 während der Uno-Vollversammlung entstanden, verdeutlicht das Selbst- und Sendungsbewusstsein, mit dem sich der Freiburger Sozialdemokrat als unkonventionelles Mitglied der Landesregierung stilisiert. Berset, erst 51-jährig, hat überraschend angekündigt, sich nach den eidgenössischen Wahlen im Herbst aus dem Bundesrat zurückzuziehen. In seinen zwölf Jahren als Innenminister rang er mit vertrackten Dossiers wie den steigenden Gesundheitskosten oder der Altersvorsorge, wo er wenig Fortschritte erzielte. In den Covid-Krisenjahren erreichte der bekennende Bonvivant als führungsbereiter Landesvater grosse Popularität. Mitunter verhielt er sich weniger staatsmännisch. Als Hobby-Flugzeugpilot drang Berset unerlaubterweise in den französischen Luftraum ein. Er leistete sich eine aussereheliche Eskapade, die in einen Erpressungsversuch gegen ihn mündete. Diese Affären steckte er nonchalant weg, ohne dass sie seine Beliebtheit in Frage stellten. Schwerer wog, dass während der Covid-Krise zwischen Bersets Sprecher und dem Vorsitzenden des Medienverlags Ringier vertrauliche Informationen geflossen sein sollen. Berset setzte damit das Vertrauen im Bundesrat aufs Spiel. Mit seiner Abtrittsankündigung setzt er die Schweizer Politik noch einmal unter Strom. Wenn sich bei den Parlamentswahlen im Oktober Verschiebungen bei den Parteistärken ergeben, könnte die Neubesetzung von Bersets Sitz im Dezember zur Veränderung der Zauberformel im Bundesrat (2 SVP, 2 FDP, 2 SP, 1 Mitte) führen. JÜRG STEINER Schweizer Revue / August 2023 / Nr.4 8 Herausgepickt Nachrichten

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx