Schweizer Revue 4/2023

dann ist die UBS nicht sicher, das muss man einfach wissen. Das globale Finanzsystem ist sehr anfällig. Die CS war angeschlagen, aber so schlecht dran auch wieder nicht. Alle Kennzahlen der Finanzmarktaufsicht waren eingehalten. Dann passiert irgendwo etwas, und die Ansteckung nimmt ihren Lauf. Staaten können eine Finanzkrise weder voraussehen noch verhindern, nur rechtzeitig eindämmen, um katastrophale Folgen zu verhindern. Festzulegen, wann der richtige Zeitpunkt zum Eingreifen ist, ist jedoch schwierig. Kann sich die kleine Schweiz angesichts solcher Risiken noch eine global tätige Grossbank leisten? Es hat Vorteile, am eigenen Finanzplatz eine Grossbank zu haben, die alle Leistungen anbietet. Müsste die UBS nun politisch gewollt die problematischen internationalen Geschäfte abspalten oder würde sie ihren Sitz verlegen, gin­ «Eine stärkere Regulierung wird nicht ausreichen. Das kann man jetzt schon sagen.» Wie wichtig war es für den Wohlstand der Schweiz, ein internationaler Finanzplatz zu sein? Die ökonomische Bedeutung wird überschätzt. Die Schweiz wurde mit dem Ersten Weltkrieg zum internationalen Finanzplatz, war aber schon 1914, gerade vor dem Krieg, das reichste Land auf dem europäischen Kontinent, gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Dafür war vor allem die Industrie verantwortlich. Diese war sehr dynamisch und machte den Wohlstand der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert bis heute aus. Der Finanzplatz kam erst infolge der Industrialisierung und gewann mit der Vermögensverwaltung eine ganz neue, reichlich sprudelnde Einnahmenquelle. Volkswirtschaftlich hatte dies immer Vor- und Nachteile. Was waren die Nachteile? Die hohen Löhne im Bankensektor zogen viele gut ausgebildete Leute an, die dann in anderen, innovativeren Bereichen fehlten. Nun gibt es ohne die grosse Sogwirkung des Bankensektors wieder mehr Raum für andere Branchen und Innovationen. Zürich ist ausserdem als Versicherungsstandort sehr erfolgreich. Dieses Geschäft ist berechenbarer und stabiler. Ich finde, es passt viel besser zur Schweizer Mentalität. März 2023 April 2023 Juni 2023 Notübernahme durch UBS Die Krise bei der CS spitzt sich zu, Kunden ziehen Gelder ab. Am Sonntagabend, 19. März, gibt Finanzministerin Karin Keller-Sutter im Beisein der Banken-­ Chefs die Übernahme der CS durch die UBS bekannt. Der Bund leistet für den Notverkauf Garantien im Umfang von 109 Milliarden Franken. Neuer UBS-Chef wird ein Schweizer: Sergio Ermotti. Kritik im Parlament In einer Sondersession lehnt der Nationalrat die Notkredite für die CS-Übernahme ab, was aber folgenlos bleibt. Der Ständerat segnet sie ab. Erneut geht die Diskussion los, ob die Politik die Banken stärker zähmen soll. Im Nationalrat finden Vorstösse für ein Bonusverbot und mehr Eigenkapital eine Mehrheit. CS-Ende wird untersucht National- und Ständerat setzen ihr mächtigstes Kontrollinstrument ein: eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK). Die PUK macht sich diesen Herbst unter der Leitung von Mitte-Ständerätin Isabelle Chassot (Bild) an die Arbeit. Sie beleuchtet das Handeln von Bundesrat, Nationalbank und Finanzmarktaufsicht vor und während der Bankenkrise. gen diese Vorteile verloren. Dafür wäre mehr Stabilität gewonnen. Für gewisse Geschäfte gäbe es ausländische Filialen, ähnlich wie bei der Fluggesellschaft Swiss, die zur deutschen Lufthansa gehört. Es würde gehen. Auch der Wegfall des Bankgeheimnisses hat uns ja überhaupt nicht geschadet. Zürich ist nicht verarmt. Im Gegenteil. Fotos Keystone 7

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