Schweizer Revue 5/2023

Die Bank steht vielleicht auf halbem Weg zwischen dem Einkaufszentrum und der Bushaltestelle oder an einem steilen Wegstück. «Gerade für Seniorinnen und Senioren sind solche Möglichkeiten zum Durchatmen und Ausruhen unverzichtbar», sagt Leuba und verweist damit auf eine weitere Funktion der Sitzbank: Die Bevölkerung soll sich in der Stadt zu Fuss bewegen können. Damit dies auch für ältere Menschen, Familien mit Kindern, Kranke, Verletzte, Gehbehinderte und ihre Begleitpersonen gilt, braucht es ein Netz an Sitzgelegenheiten, das die Quartiere verbindet und ein «Auftanken» möglich macht. Renate Albrecher sagt denn auch, die Bank sei die Tankstelle für jene, die zu Fuss gehen. Teil der Mobilitätsplanung Jenny Leuba hat im Auftrag mehrerer Schweizer Städte und Gemeinden Sitzbankkonzepte erstellt und dabei eine erstaunliche Feststellung gemacht. Obwohl eine Bank bis zu fünftausend Franken kostet, wissen die Behörden nicht, wie viele Bänke in ihrer Stadt stehen. Sie sieht den Grund dafür in den verzettelten Zuständigkeiten für Plätze, Pärke und Strassen. «Es gibt kein Amt für den öffentlichen Raum, der Gesamtblick fehlt.» Das sei auch der Grund, warum die Bank in der Mobilitätsplanung vergessen gehe, bedauert Albrecher. «Der Bank fehlt schlicht die Lobby.» In Sachen Sitzbänke, darin sind sich die drei Spezialistinnen einig, gebe es in den meisten Städten noch Potenzial. Zudem fehlten sie ausgerechnet da, wo sie am meisten gebraucht würden, beispielsweise in Wohnquartieren mit vielen Seniorinnen und Senioren: «Je weiter weg vom Zentrum, desto weniger Bänke gibt es.» Widerstreit der Bedürfnisse Holz ist das Lieblingsmaterial von Renate Albrecher, Holz wird auch von den Benutzerinnen und Benutzern bevorzugt, wie sie aus Befragungen weiss. Die Städte wollten ihrerseits Mobiliar, das gegen Vandalismus immun sei und ewig halte, vielleicht sogar Autos stoppt. Darum stehe allenthalben Beton oder Metall. Von einem Betonblock könnten ältere Menschen aber schlecht aufstehen, Metall wiederum sei zum Sitzen im Sommer zu heiss und im Winter zu kalt. Was tun, damit der öffentliche Raum, der «per Definition allen gehört», wie Sabina Ruff sagt, rund um die Uhr für die gesamte Bevölkerung zugänglich ist? Das A und O heisst Partizipation. Albrecher hat im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts eine einfache Browser-App entwickelt, die unter anderen in München getestet worden ist. Ein Erfolg: «Jene Personen, die Sitzbänke nutzen und sich an üblichen Partizipationsmethoden nicht beteiligen, haben mitgemacht.» In Schweizer Städten werden auf Renate Albrecher, Gründerin und Präsidentin des Vereins zur Förderung der Schweizer Bankkultur, sitzt am liebsten auf Holz, ein Material, das die meisten «Bankkund:innen» bevorzugen. Foto: François Wavre, Lundi13 Schweizer Revue / Oktober 2023 / Nr.5 11

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