Schweizer Revue 4/2023

führt. Aber auch die Behörden müssen sich Fragen gefallen lassen. Seit Oktober 2022 wusste man, dass die Bank in einer schwierigen Situation war. Trotzdem dauerte es diesen März nochmals lange, bis ein Rettungsplan stand. Das Ganze wirkte improvisiert, anders als damals bei der UBS. Das hat mich überrascht. Noch wissen wir nicht genug, um das Behördenverhalten zu beurteilen. Die Parlamentarische Untersuchungskommission wird Erkenntnisse bringen. Die Bank selber sollte jedoch auch etwas beitragen, und zwar von sich aus: mit einem umfassenden Bericht, was bei der CS schiefgelaufen ist. Das ist sie der Schweiz schuldig. Als Historiker bin ich weniger überrascht, dass das nicht geklappt hat. In einer Krise braucht man sehr einfache Pläne. Die «Too-big-to-fail»-Regelung war zu kompliziert, nicht erprobt und etwas weltfremd. In so einem Fall sind immer auch ausländische Behörden involviert, die ihrerseits politisch Rücksicht nehmen müssen. Bis sie zustimmen, kann es dauern. Was vermag Bundesbern in globalisierten Finanzmärkten überhaupt noch zu bewirken? Einiges. Der Staat kann und muss sehr viel machen, wenn es darum geht, Banken zu stabilisieren. Im Falle der UBS hat er es gut gemacht. Die Bank wurde temporär teilverstaatlicht, am Schluss verdiente der Bund gar noch etwas daran. Und die UBS passte ihre Risikokultur an. Bei der Credit Suisse hielten die Behörden nun eine Fusion für sicherer. Ob es die richtige Lösung war, wird sich erst noch zeigen. Wer oder was ist hauptverantwortlich für den CS-Kollaps? Das Management und der Verwaltungsrat. Die CS war seit Jahren schlecht ge1991 1997 2008 Regionalbank kollabiert Die Spar- und Leihkasse Thun im Berner Oberland übernimmt sich mit der Finanzierung von Immobilien und geht konkurs. Die Bilder vom Bankencrash in der reichen, soliden Schweiz gehen um die Welt. Über 220 Millionen Franken Privat- und Geschäftsvermögen werden vernichtet. Bankenhochzeit zur UBS Die zwei Schweizer Traditionsbanken Schweizerische Bankgesellschaft und Schweizerischer Bankverein fusionieren zur UBS. Ziel der neu grössten Bank der Schweiz ist es, stärker ins internationale Finanzgeschäft zu expandieren und dort zur Weltspitze zu gehören. Staat rettet UBS Nach dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers gerät die UBS in den Strudel der Finanzkrise. Bund und Nationalbank werfen 60 Milliarden Franken auf, um den Konkurs der Grossbank zu verhindern. Der Plan geht am Schluss ohne Schaden für die Steuerzahler auf. Tabubruch mehr. Seit den 1990er-Jahren sehen wir international, wie verletzlich das stark globalisierte und liberalisierte Bankensystem geworden ist. Dass Staaten immer wieder eingreifen mussten, ist völlig normal geworden. Es geht gar nicht anders, weil es sonst jedesmal eine grosse internationale Finanzkrise gäbe. Auch das Ausland erwartet von der Schweiz, dass von ihr nicht Ereignisse ausgehen, die das ganze Bankensystem anstecken. Das Parlament wollte aber nach der UBS-Rettung mit dem «Too-big-tofail»-Gesetz verhindern, dass Staat und Steuerzahler nochmals so grosse finanzielle Risiken eingehen müssen. Ein böses Erwachen für die Politik? Zur Person: Tobias Straumann (57) ist Professor für Geschichte der Neuzeit und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Zürich. Er forscht unter anderem zur Finanz- und Währungsgeschichte. Besonders interessiert ihn das Zusammenspiel von Wirtschaftskrisen, Institutionen und Politik. «Die ökonomische Bedeutung des Finanzplatzes wird überschätzt.» Fotos Keystone Schweizer Revue / August 2023 / Nr.4

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