Schweizer Revue 3/2023

MAI 2023 Die Zeitschrift für Auslandschweizer:innen Aufruhr in Schweizer Tellern: Es duftet etwas nach Revolution Agnes Hirschi entkam als Kind dem Holocaust und erzählt heute in Schulen vom damaligen Leid Die Schweiz wird jetzt endlich alte Versprechen zum Klimaschutz einlösen

AM 22. OKTOBER SP WÄHLEN! Liebe Leser:innen Solidarität, Gleichstellung, Freiheit, Weltoffenheit. Unsere Werte beruhen auf einem Prinzip: gleiche Rechte für alle, ohne Privilegien. Als Sozialdemokrat:innen haben wir ein europäisches, ein internationalistisches Selbstverständnis. Darum engagieren wir uns aus Überzeugung und seit jeher für gute und stabile Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union (EU). Es braucht institutionelle Lösungen. Als Sozialdemokrat:innen ergreifen wir Partei für Frieden, soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und Klimaschutz auf der ganzen Welt. Die grossen Herausforderungen unserer Zeit meistern wir nur gemeinsam. Solidarisch, Sarah Wyss (Nationalrätin BS) und Fabian Molina (Nationalrat ZH) Vize-Präsidium SP International www.sp-ps.ch/partei/sp-international Für Insider-News über die Schweizer Innenpolitik aus linker Perspektive gibt es ein neues Portal für die Auslandschweizer:innen DIREKT-MAGAZIN.CH zkb.ch/auslandschweizer Bedürfnisse sind verschieden – deshalb behandeln wir alle Auslandschweizer/innen wie Unikate. Wir bieten Ihnen eine persönliche und professionelle Betreuung, die höchsten Qualitätsansprüchen genügt.

Es ist eine etwas naive, aber trotzdem schöne Vorstellung: In der Küche lässt sich die Welt verändern – auf genüssliche, sinnliche Weise. Denn was auch immer wir kochen und essen: Wir beeinflussen damit ganz direkt grosse Fragen der Zeit. Etwa die Frage, was gegen die Lebensmittelverschwendung zu tun ist. Oder die Frage, wie unser übergrosser ökologischer Fussabdruck kleiner werden kann. Unsere Teller sind immer auch kleine Spielwiesen in Sachen Nachhaltigkeit. Damit sind wir bei unserem Schwerpunktthema: der kleinen Revolution in den Schweizer Küchen. Zusehends wandelt sich das Tischgespräch. Es dreht sich nie um Hunger, denn den kennen wir derzeit echt nicht. Es dreht sich aber immer öfter um die Frage, wie wir uns gut ernähren können, ohne damit dem Planeten die Zukunft zu rauben. Dazu gibt es ein paar spannende Schweizer Antworten. An dieser Stelle war beabsichtigt, so ganz nebenbei ein paar raffinierte kulinarische Weltveränderungs-Rezepte einzuflechten. Aber eine Eilmeldung am Tag des Redaktionsschlusses verschlug allen den Appetit: Quasi über Nacht brach die Grossbank Credit Suisse in sich zusammen. Ihr Niedergang ist eine verstörende Geschichte. Ursprünglich als Schweizerische Kreditanstalt gegründet, prägte die Bank ab 1856 wie keine andere den industriellen Aufbau der Schweiz. Die gebaute Schweiz von heute ist geprägt von den Visionen dieser Bank von damals. Doch jetzt bleiben von der Pionierbank primär schlechte Erinnerungen. Die Mischung aus Altlasten, untragbaren Risiken, Fehlentscheiden, verspieltem Vertrauen, dem Fehlverhalten Einzelner und den exorbitanten Boni, die sich die Chefetage gönnte, erwies sich als zu toxisch. Der Schaden ist gross. Ausbaden muss den Schlamassel die Nation als Ganzes. Bund und Nationalbank müssen der UBS, welche die Credit Suisse nun übernehmen muss, mit Milliardenbeträgen beistehen. Und wer die Credit Suisse als Beleg dafür sieht, wie ungut die Abhängigkeit von allzu grossen Banken ist, stellt verwundert fest: Nun entsteht eine einzige und noch mächtigere Bank. Die «Neue Zürcher Zeitung», die in der Bankenmetropole Zürich zuhause ist, beschrieb es am Tag danach so: «Die Schweiz hat sich zwar einer Zombie-Bank entledigt, wacht am Montag jedoch mit einer Monster-Bank auf.» Die Bilanzsumme der UBS wird nach der Übernahme der Credit Suisse fast doppelt so gross sein wie die gesamte Schweizer Wirtschaftsleistung. Da schlucken wir nur noch leer vor unseren vollen Tellern. MARC LETTAU, CHEFREDAKTOR 4 Schwerpunkt Die Schweiz baut gerade auffällig stark ihre Essgewohnheiten um 9 Nachrichten Die aktuellen E-Voting-Versuche lassen die Fünfte Schweiz aufs Neue hoffen 10 Politik Die Schweiz will endlich ihre alten Klimaschutz-Versprechen einlösen 12 Eidgenössische Wahlen 2023 Im dichten Wahl-Dschungel gibts gute Hilfsmittel für Wähler:innen 14 Reportage Dem Schokoladehasen geht es prächtig, dem echten Feldhasen aber miserabel Nachrichten aus Ihrer Region 18 Natur und Umwelt In der Schweiz nimmt die Zahl der Elektroautos rasant zu 22 Gesellschaft Agnes Hirschis Erinnerung an den Schrecken des Holocaust 26 Aus dem Bundeshaus Auslandschweizer:innen können stets auf ein kompetentes Quintett zählen 28 SwissCommunity-News St. Gallen, wo der diesjährige Kongress stattfindet, ist immer eine Reise wert Die Fünfte Schweiz steigt ins Wahljahr und nennt ihre Erwartungen 30 Diskurs Mahlzeit! Titelbild: Der Berner Cartoonist Max Spring zeichnet für die «Schweizer Revue». www.maxspring.ch Herausgeberin der «Schweizer Revue», des Informationsmagazins für die Fünfte Schweiz, ist die Auslandschweizer-Organisation. Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3 3 Editorial Inhalt

Lachs mit Frischkäse auf gerösteter Baguette? Der Eindruck täuscht. Der «Lachs» ist eine vegane Nachbildung aus Karotten, der «Käse» ist aus Mandeln. Foto Keystone Aus Schweizer Tellern steigt ein leichter Duft von Revolution Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3 4 Schwerpunkt

5 DENISE LACHAT Bei Luc gibt es zum Znüni einen Fruchtspiess, als Snack rohes Gemüse mit Dipsaucen, als Hauptgang Pastasalat mit Cherrytomaten und Halloumi, zum Dessert Quark, Joghurt, Beeren und Crumble im Glas geschichtet. Lucs Vater, der den Neunjährigen im Kochkurs begleitet, gesteht augenzwinkernd, dass er selbst ganz anders aufgetischt hätte: «Doch es macht grossen Spass.» Der Kochkurs, den die Berner Primarschule gebucht hat, will Kinder für das Kochen begeistern. Denn Kinder, die kochen dürfen und können, ernähren sich vielseitiger und ausgewogener und sind offener, wenn’s ums Probieren neuer Speisen geht. Szenenwechsel. Beim Kemptthaler Unternehmen Planted Foods AG fühlt man sich beim Lesen des Herstellungsprozesses auch an die Schule erinnert, aber eher an den Physik- und Chemieunterricht. Eine Mehlmischung aus Erbsen, Sonnenblumen oder Hafer wird in eine mächtige Maschine gegeben, mit Wasser und Rapsöl gemischt, geknetet, erhitzt und gepresst. Das Resultat ist eine Teigplatte, die in eine beliebige Form geschnitten werden kann, je nachdem, ob Pouletbrüstli, Pouletgeschnetzeltes oder Kebab imitiert werden sollen. So wird im Zürcher Oberland ein pflanzliches Lebensmittel hergestellt, das an Fleisch erinnert. In einer Fabrik, die einem Labor gleicht, in dem weisse Kittel und Schutzhäubchen getragen werden. Hier fliesst kein Tropfen Tierblut – was exakt der Philosophie von Planted Foods entspricht. «Jedes Huhn zählt», heisst ein Leitsatz der Firma, die eigenen Angaben zufolge bereits über eine Million Hühner wird die Masse zusätzlich mit Mikroben wie Pilzen oder Bakterien fermentiert? Und warum überhaupt mit komplexer Verfahrenstechnik grössere, komplexere, saftigere und zartere Teilstücke erzeugen und Mikronährstoffe wie Vitamin B12 hinzufügen? Planted Foods hält für diese häufig gestellten Fragen eine routinierte Antwort bereit: «Wir Menschen sind bekanntlich Gewohnheitstiere. Um einen Einfluss auf den Planeten zu haben, müssen sich unsere Ernährungsgewohnheiten ändern. Am besten funktioniert das mit einem fleischähnlichen Produkt, das sich in die bestehenden Essgewohnheiten integrieren lässt.» Alternativen beim Grossverteiler Das scheint einem Bedürfnis der Konsumentinnen und Konsumenten zu entsprechen. Bereits seit 1997 gibt es in der Migros Ersatzprodukte auf der Basis von Quorn, das aus fermentierten essbaren Pilzen hergestellt wird; mit «Cornatur» war sie Pionierin. In jüngster Vergangenheit hätten Fleischersatzprodukte Aufschwung erhalten und Innovationen Fahrt aufgenommen, sagt Mediensprecherin Carmen Hefti. Die Migros hält mittlerweile über 1000 vegane Artikel im Sortiment. Am besten laufen laut Hefti Fleisch- und Milchersatzprodukte. Das Thema sei inzwischen von der Nische in den Mainstream gelangt. Auch beim Grossverteiler Coop gibt es seit 2006 ein umfassendes Fleischersatz-Sortiment, unter anderem mit Coops Eigenmarke Délicorn. Zu den ersten Produkten zählten Bratwürste und Schnitzel auf pflanzlicher Basis. Die Schweizerinnen und Schweizer bauen gerade ihre Einkaufs- und Kochgewohnheiten stark um. Ihr Interesse am Klimaschutz spielt dabei eine Rolle. Immer häufiger kommt pflanzliches Protein auf die Teller. Aber Fleisch steht übers Ganze gesehen nach wie vor hoch im Kurs. vor dem Tod im Schlachthof gerettet hat. Ebenso wichtig ist der Klimaschutz; die traditionelle Fleischindustrie sei eine der grössten Treiberinnen der Klimakrise, schreibt Planted Foods. Essen für Gewohnheitstiere Mehr Gemüse und Getreide auf dem Teller, weniger Fleisch. Doch warum muss aus Pflanzen überhaupt Fleisch «nachgebaut» werden? Warum der enorme technologische Aufwand, um die kugelförmigen pflanzlichen Proteine in eine muskelfaserähnliche, längliche Form zu bringen? Warum Engagements für zukunftsfähige Lösungen Bis im Jahr 2050 werden knapp zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben. Sollen sie alle ernährt werden, ohne unsere Umwelt zu gefährden, müssten sich sowohl die Lebensmittelproduktion als auch die Ernährungsgewohnheiten radikal ändern – weniger Fleisch, Eier und Zucker, mehr Gemüse, Nüsse und Hülsenfrüchte. In der Schweiz arbeiten neben den Behörden auch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen auf dieses Ziel hin. So ist etwa der Verein Fourchette verte – ama terra, der Betriebe in der Gemeinschaftsgastronomie mit seinem Qualitäts- und Gesundheitslabel auszeichnet, in 17 Kantonen aktiv. Verlangt wird unter anderem die Reduktion des Fleisch- und Fischkonsums, der Einkauf aus ökologischer und tierfreundlicher Produktion und die Vermeidung von Foodwaste. Auch Tools wie «Eaternity», das CO₂-Bilanzen für Menüs in Mensen berechnet, oder «Beelong», das Lebensmittel mit einer Note zwischen A und G bewertet, helfen Köchinnen und Köchen in Alters- und Pflegeheimen, Spitälern, Kinderkrippen und Kantinen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. (DLA) Gute Beispiele für Gemeinden und Kantone zur nachhaltigen Ernährung: revue.link/menu Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3

habe der Schweizer Detailhandel mit Fleischersatzprodukten einen Umsatz von 117 Millionen Franken erwirtschaftet, gegenüber 60 Millionen im Jahr 2016. Dies entspricht bei einer jährlich durchschnittlichen Wachstumsrate von 18,4 Prozent nahezu einer Verdoppelung. Die höchsten Wachstumsraten verzeichneten gemäss der Studie sogenannte MeatAnalog-Produkte, also Produkte, die wie Fleisch aussehen und schmecken sollen. Als Grund für das veränderte Konsumverhalten wird ein Wertewandel angeführt. In der westlich industrialisierten Welt sei das reine Sättigungsbedürfnis von Hunger und Durst immer stärker dem Bedürfnis nach Gesundheit, Genuss und einer die natürlichen Ressourcen schonenden Lebensweise gewichen. «Bei vielen Menschen wächst das Bewusstsein für den Einfluss unseres Konsum- und Essverhaltens auf Umwelt, Klima und Tierwohl», hiess es bereits 2019 in einer Studie des Gottlieb-Duttweiler-Instituts zu den europäischen «Food Trends», für die 39 Expertinnen und Experten aus Europa, Nordamerika und Asien befragt worden waren. In der Schweiz ist Umweltschutz gemäss der Coop-Studie heute das Hauptargument für Fleischverzicht, und zwar für alle Ernährungstypen, von den Gelegenheitsvegetariern (Flexitarier) bis zu den Veganern. Je jünger die Befragten, desto häufiger wird dieser Grund genannt. Ein Volk von Fleischessern Trotz beeindruckender Wachstumsraten sind Fleischersatzprodukte noch ein absoluter Nischenmarkt. Gemäss der aktuellen Statistik des Branchenverbands der Schweizer Fleischwirtschaft, Proviande, waren es 2021 maximal 3,4 Prozent. TatsächCoop bietet aktuell über 2000 vegetarische Produkte an, wovon mehr als 1800 Produkte vegan sind, wie CoopSprecher Caspar Frey sagt. Darunter sind über 100 vegane Fleisch- und Fischalternativen, mehr als 50 Milchalternativen, 40 vegane Joghurt-, 20 Butter- und rund 20 vegane Käsealternativen. Auch bei der Migros sind vegane Milchalternativen gefragt. Seit 2010 gehören Sojadrinks zum Sortiment, heute gibt es Hafer-, Reis-, Mandel-, Soja-, Quinoa-, Kichererbsen-, Kokos- und Haselnussdrinks. Das Sortiment von Kuhmilch-Alternativen sei in den letzten Jahren im zweistelligen Prozentbereich gewachsen, sagt Carmen Hefti. Über genaue Verkaufsmengen gibt die Migros keine Auskünfte. In Prozentangaben antwortet auch Coop. In den letzten vier Jahren sei der vegane Anteil der Milchprodukte kontinuierlich auf 18 Prozent gestiegen. Frey sagt: «Aktuell ist mehr als jede siebte Milch, die bei Coop in den Warenkorb kommt, eine vegane Alternative.» Für den Klimaschutz Wenden sich Schweizerinnen und Schweizer zusehends von tierischen Proteinen ab? Essen sie dafür Früchte und Gemüse und, vor allem: pflanzliches Protein? Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Ja und Nein. Laut einer von Coop in diesem Januar publizierten «Studie zum veganen Genuss in der Schweiz» verzichten 63 Prozent der Schweizer Bevölkerung heute bewusst mehrmals im Monat auf tierische Lebensmittel. Das sind über 20 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Der erste Schweizer Fleischersatz-Report des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW), der die Entwicklung von 2016 bis 2020 im Schweizer Detailhandel untersucht, spricht ebenfalls von einem starken Wachstum. 2020 Zwei Volksinitiativen zur Nahrungsmittelproduktion Steuert die Schweiz auf eine Grundsatzdebatte zur Lebensmittelproduktion zu? Zwei geplante Volksinitiativen wollen das Land mit mehr schweizerischen Nahrungsmitteln versorgen, krempeln die Landwirtschaftspolitik aber ganz gegensätzlich um. Die eine verlangt, dass Schweizer Bauern auf den Ackerflächen weniger Futtermittel für Tiere, dafür mehr pflanzliche Lebensmittel für Menschen anbauen. Die andere will die Ökoflächen reduzieren, um in der Schweiz mehr intensive Nahrungs- und Futtermittelproduktion zu ermöglichen. (DLA) Ein Beispiel für einen neuen Trend, der viel Echo auslöst: pflanzliches «Poulet» aus Erbsenprotein. Foto Planted Foods Pflanzliche Alternativen zu Milch sind heute in den Regalen der Grossverteiler allgegenwärtig. Foto Keystone Hühner in einem Mastbetrieb in Gundetswil (ZH), der 18 000 Tiere hält: Poulet ist in Schweizer Küchen derzeit hoch im Trend. Foto Keystone Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3 6 Schwerpunkt

stitutionen um (siehe auch Kasten). Und auch beim Kochunterricht für die Grundschule weht ein frischer Wind; das bekannte Schulkochbuch «Tiptopf» wurde von Grund auf neu entwickelt. In der Ausgabe von März 2023 ist etwa die Hälfte der Rezepte neu, unter anderem gibt es eine Linsenbolognese und Tofugeschnetzeltes. Anita Stettler, Projektleiterin Marketing der Schulverlag plus AG: «Im Vergleich zu früheren Ausgaben gibt es mehr vegetarische und vegane Gerichte. Als rein vegetarische und vegane Ergänzung zum ‹Tiptopf› halich nimmt auch der Fleischkonsum in der Schweiz nicht ab. Gemäss den Zahlen von Proviande verharrt er seit Mitte der 1990er-Jahre bei jährlich rund 50 Kilogramm pro Person. 2020 waren es 50,91 kg, 2021 gab es 51,82 kg Fleisch pro Kopf, wobei insgesamt weniger Rind-, dafür mehr Pouletfleisch gegessen wird. Fleisch wird nachgefragt, diese Feststellung macht auch der Grossverteiler Coop. Nicht einmal im Januar, der gerne als fleischabstinenter «Veganuary» beliebt gemacht wird, ging die Nachfrage nach Fleisch zurück. Coop-Sprecher Frey sagt, dass die Fleischersatzprodukte alle ansprächen, die sich gerne vegetarisch oder vegan ernähren, sich als Flexitarier oder Substitarier bezeichnen oder sich für Food-Trends und abwechslungsreiches Essen interessieren. Ein direkter Vergleich der Sortimente lasse sich grundsätzlich nicht ziehen. ProviandeSprecherin Gioia Porlezza sagt ihrerseits, es seien vor allem Menschen, die kein Fleisch essen, die sich für diese Produkte entschieden. Zudem schlössen sich Fleischersatzprodukte und Fleisch nicht aus: «Man kann problemlos beide konsumieren und seine Proteinquellen abwechseln.» Auf jeden Fall ist das Spannungsfeld zwischen «natürlichen» Lebensmitteln und nachhaltigen Hightech-Produkten gross geworden. Experten räumen ein, dass die Lebensmittelherstellung immer stärker wissenschaftlich geprägt ist. Nachhaltig essen und kochen Nachhaltige Ernährung ist ein Anliegen, das die Schweizer Landesregierung mit Strategien und Gesetzen fördert. Immer häufiger gehen Städte und Gemeinden voran und setzen nachhaltige Verpflegungskonzepte für Schulen, Heime und öffentliche Inben wir 2019 zusammen mit dem Vegi-Restaurant Hiltl den ‹Greentopf› entwickelt, welcher sich ausschliesslich auf diese Ernährungsform konzentriert». Keine Revolution, aber klare Trends Findet auf Schweizer Tellern gerade eine Revolution statt? Andrew Gordon erkennt zumindest einen Trend. Gordon ist Generaldirektor der Eldora AG, die Restaurants in privaten Unternehmen wie auch in Schulen, Krippen, Spitälern und Altersheimen betreibt beziehungsweise beliefert. Eldora biete heute täglich ein VegiMenü an, sagt Gordon. Die Nachfrage mache in der Westschweiz, wo die Eldora ihren Ursprung hat, rund zehn Prozent aus, in der Deutschschweiz seien es etwas mehr. Fleischlose Menüs würden vor allem von der öffentlichen Hand verlangt. In Schulen und Krippen müsse mindestens einmal pro Woche ein Vegi-Menü serviert werden. Zudem würden immer häufiger regionale Produkte gefordert. Leider seien die Gäste aber nicht gerne bereit, dafür mehr zu bezahlen: «Das drückt bei Eldora auf die Marge.» Menschen seien eben widersprüchliche Wesen, heisst es dazu passend in der Studie des Gottlieb-Duttweiler-­ Instituts: «Am liebsten wollen wir beides haben – den Fünfer und das Weggli, wie die Schweizer sagen. Global und lokal.» Plantbased-Report von Coop (nur in Deutsch): revue.link/plantbased Fleischersatz-Report des Bundes (BLW): revue.link/fleischersatz Foodtrend-Analyse des Gottlieb-Duttweiler-­ Instituts: revue.link/trends «Gerettete» Lebensmittel aus einer Foodsharing-Aktion: Das Engagement gegen Foodwaste gewinnt in der Schweiz an Bedeutung. Foto Keystone Kantinen haben grossen Einfluss aufs Essverhalten, denn sie können neue Ernährungstrends verstärken – oder bremsen. Foto Shutterstock In der Grossmetzgerei Angst in Zürich wird ein Kalb zerteilt. Trotz neuer Ersatzprodukte bleibt der Fleischkonsum in der Schweiz hoch. Foto Keystone Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3 7

UBS übernimmt die Credit Suisse, Bund und Nationalbank leisten Hilfe in Milliardenhöhe Die Schweizer Grossbank Credit Suisse (CS) ist am Ende. Sie wird von ihrer Rivalin, der UBS, übernommen. Das ist der Ausgang des Schweizer Bankenkrimis vom März 2023. Die Übernahme durch die UBS ist nur halbwegs freiwillig. Der Schritt sei nötig, um den Bankenplatz Schweiz und die Schweizer Wirtschaft vor grossem Schaden zu bewahren, erklärte die UBS-Spitze. Der Übernahme gingen dramatische Tage voraus. Das Vertrauen in die CS erodierte Anfang März immer rasanter. Nebst den hausgemachten Problemen sorgten auch die Nöte US-amerikanischer Banken für wachsendes Misstrauen. Kund:innen und Anleger:innen zogen Gelder in Milliardenhöhe von der CS ab. Am 16. März gewährte ihr die Nationalbank – als Notaktion – einen Kredit von 50 Milliarden Franken. Die Intervention nützte wenig. Der Bundesrat und die Schweizer Finanzmarktaufsicht zwangen deshalb am 20. März die Spitzen von CS und UBS an den Verhandlungstisch. Am Abend des 20. März stand fest: Die UBS übernimmt die CS für drei Milliarden Franken. Finanzministerin Karin Keller-Sutter stellt die Übernahme als gute privatwirtschaftliche Lösung im Interesse des Ganzen dar. Allerdings ist der Vorgang de facto eine weitere staatliche Bankenrettung, wenn auch indirekt mithilfe einer anderen Bank. Aber Bund und Nationalbank gewähren Garantien in der Höhe von 250 Milliarden Franken und weitere 9 Milliarden stellt der Bund – per Notrecht – zur Abdeckung von Risiken zur Verfügung. Das Ende der CS hat historische Dimensionen: Die Bank ging aus der 1856 von Industriepionier Alfred Escher mitgegründeten Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) hervor, welche eine entscheidende Rolle beim Aufbau der modernen Infrastruktur der Schweiz spielte. (MUL) Mehr Tempo beim Klimaschutz nötig Massnahmen gegen den Klimawandel müssen noch schneller umgesetzt werden. Dies fordert der Weltklimarat in seinem jüngst in Interlaken (BE) präsentierten Bericht. Darin schätzen die Wissenschaftler:innen die Risiken der globalen Erwärmung noch grösser ein als beim letzten Bericht vor neun Jahren. So drohen bereits bei einem geringen Anstieg der Temperaturen Extremereignisse wie Dürren oder Überschwemmungen. Ziel bleibt es, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius oder deutlich unter zwei Grad zu beschränken. Dazu braucht es aber mehr Anstrengungen – auch in der Schweiz. Mehr zum Thema auf Seiten 10 und 11. (TP) Athlet Marco Odermatt setzt neue Rekordmarke Der Schweizer Skirennfahrer Marco Odermatt gewann nicht nur den Gesamtweltcup der Saison 2022/2021, sondern setzt auch neue Massstäbe. Der 25-Jährige gewann als Erster innerhalb einer Saison mehr als 2000 Weltcuppunkte. Er übertraf die über 20 Jahre alte Bestmarke dank konstanter Höchstleistung: Er startete in dieser Saison an 26 Rennen und schaffte es 22-mal aufs Podest. (MUL) Emil Steinberger Er feierte im Januar den 90. Geburtstag. Und er ist bis heute der erfolgreichste, beliebteste Schweizer Kabarettist: Emil Steinberger. Oder einfach: Emil. Die Auftritte des Luzerners amüsierten ab den 1970er-Jahren weite Teile des Landes, alle Generationen und Weltanschauungen. Eine Kunst, die inzwischen unmöglich erscheint. Doch Emils Comedy-Nummern, im Theater, im Fernsehen und ein Jahr lang auch in der Arena des Zirkus Knie dargebracht, sind im kulturellen Gedächtnis verankert. Ob Polizeihauptwache, Telegrafenamt, Bergführer, Bauernregel-Verkünder oder der Vater mit dem «Schwedenmodell» von Kinderwagen: Viele können immer noch ganze Passagen auswendig. Dem Künstler, der im Erstberuf Postbeamter war, genügten minimale Requisiten. Er erzeugte seine Wirkung mit Mimik, Gestik, Worten. Emil habe typisch Schweizerisches, inklusive Unbeholfenheit, aber auch universell den kleinen, zuweilen überforderten Mann verkörpert, dies ohne Häme. So erklärte die «Neue Zürcher Zeitung» den Erfolg, den der Komiker auch in Deutschland hatte. Unvergessen zudem Steinbergers Rolle im Filmhit «Die Schweizermacher», der die strenge Einbürgerungspraxis karikierte. Emil selber verliess mit 60 Jahren die Schweiz, um in New York zu leben. 1999 kehrte er zurück, auch auf die Bühne, wieder jahrelang. Erst letzten Dezember beendete er eine grosse Tournee. Steinberger, in Basel zuhause, ist im hohen Alter auch auf Twitter aktiv, gut gelaunt und menschenfreundlich. «Wildfremde Leute beichten mir, ich hätte sie durchs Leben begleitet», meinte er kürzlich in einem Interview, «andere sagten, sie hätten in der Familie geredet wie Emil.» So viel Aufhebens um sich habe er nie gesucht: «Ich wollte einfach nur spielen, damit die Leute lachen können.» SUSANNE WENGER Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3 8 Herausgepickt Nachrichten

E-Voting: Nach langem Stillstand ein neuer Anlauf Im Juni starten die Kantone Basel-Stadt, St. Gallen und Thurgau mit neuen E-Voting-Tests. Verlaufen diese positiv, könnte das neue System bei den nationalen Wahlen im Herbst eingesetzt werden. EVELINE RUTZ Digital abzustimmen, wird in der Schweiz wieder möglich. Maximal 65000 Personen können am 18. Juni ihre Meinung online kundtun. Die Kantone Basel-Stadt, St. Gallen und Thurgau werden dann versuchsweise E-Voting einsetzen. Alle drei beziehen dabei die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer ein. Vom Bundesrat haben sie für einen beschränkten Testbetrieb grünes Licht erhalten. Graubünden will 2024 einen solchen starten. Mängel sind behoben worden Die Risiken seien vertretbar, sagte Bundeskanzler Walter Thurnherr im März vor den Medien. «E-Voting-Systeme lassen sich so konzipieren, dass die Hürde für Betrug so hoch wie möglich angesetzt ist und Manipulationsversuche mit hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können.» Die Post erfüllt die hohen Anforderungen an die Sicherheit. Sie hat ihr System seit 2019, als es zu einem Stillstand kam (siehe «Schweizer Revue» April 2021 und August 2022), wesentlich verbessert. Seit 2021 ist es von Hackerinnen und Hackern aus der ganzen Welt auf Mängel abgeklopft worden. Es wird laufend von unabhängigen Fachleuten überwacht und ist vollständig verifizierbar. Das heisst: Wer digital abstimmt oder wählt, kann überprüfen, ob seine Stimme korrekt registriert wurde. Der Versuchsbetrieb selbst werde dazu beitragen, dass E-Voting weiter zu verbessern, betonte Thurnherr. «Gewisse Erkenntnisse lassen sich nur gewinnen, wenn man ein System praktisch nutzt.» Die Kantone sind «sehr erfreut», dass sie E-Voting testweise wieder anbieten dürfen. Man setze dort an, wo man 2019 nach über 300 erfolgreichen Versuchen aufgehört habe, sagt Barbara Schüpbach-Guggenbühl, Staatsschreiberin des Kantons Basel-Stadt. Man komme damit einem grossen Bedürfnis – gerade von Menschen mit einer Behinderung sowie der Fünften Schweiz – entgegen: «Für sie ist der digitale Kanal besonders bedeutend, um ihr Stimmrecht effektiv ausüben zu können.» Für die Kantone sind die Tests mit intensiven Vorbereitungen und Kosten verbunden, wie Barbara Schüpbach-Guggenbühl festhält. Dieser Aufwand werde sich jedoch auszahlen, ist sie überzeugt. Um die politische Mitsprache auf dem heutigen Niveau halten zu können, müsse sich der Staat für die Zukunft fit machen: «Er muss einen Service public anbieten, der die Menschen dort abholt, wo sie sind und wo sie in Zukunft sein werden.» Codes werden weiter per Post zugestellt Die Versuche werden nicht durchgehend digital ablaufen. Die ausgewählten Personen werden ihre individuellen Sicherheitscodes – zusammen mit den üblichen Abstimmungsunterlagen – auf dem Postweg erhalten. Für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer kann dies ein Nachteil sein: Sie erhalten die Unterlagen teilweise verzögert. Wenn sie digital abstimmen, sparen sie allerdings einen Postweg: Ihr Votum trifft nach wenigen Klicks bei der Schweizer Behörde ein. Eine E-ID könnte das Verfahren dereinst weiter vereinfachen: E-Voting könnte medienbruchfrei funktionieren, also rein elektronisch und ohne den auf dem Postweg zugestellten Code. Die Post reagiere auf den digitalen Wandel, sagt Sprecherin Silvana Grellmann. «Wir wollen das Briefgeheimnis in die virtuelle Welt übertragen.» Das Unternehmen beschäftigt in seiner IT-Abteilung über 1700 Mitarbeitende. An seinem Standort in Neuenburg hat es ein Kryptografie-Kompetenzzentrum aufgebaut, in dem zurzeit 47 Personen arbeiten. «Sicherheit ist ein Prozess, der nie abgeschlossen ist», betont Grellmann. Die Post werde «die kollektive Intelligenz der Fachwelt» weiter nutzen, um Fehler auszumerzen. Auch über Schwachstellen informiere sie transparent, damit die Bevölkerung Vertrauen in die IT-Lösung aufbauen könne. Fallen die Erfahrungen am 18. Juni positiv aus, könnten die Kantone E-Voting bei den eidgenössischen Wahlen im Herbst anbieten. Beim Bund müssten sie dafür ein entsprechendes Gesuch einreichen. Fünfte Schweiz will ihre politischen Rechte wahrnehmen Ariane Rustichelli, Direktorin der Auslandschweizer-Organisation (ASO) spricht von einem «positiven Signal für die Fünfte Schweiz». Die Bevölkerung sei zunehmend mobil. In den Stimmregistern seien jedes Jahr mehr ausgewanderte Personen registriert – aktuell sind es rund 220000. Gleichzeitig nehme die durchschnittliche Dauer der Auslandsaufenthalte ab. Umso bedeutender sei es, dass sich Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer demokratisch beteiligen könnten. «E-Voting hilft ihnen, ihre Beziehungen zum Heimatland aufrechtzuerhalten», sagt Ariane Rustichelli. Sie hofft, dass die Tests erfolgreich verlaufen. «Damit die Versuche auch in anderen Kantonen wieder aufgenommen werden.» Bundeskanzler Walter Thurnherr sagt, die Risiken des neuen E-Voting-Systems seien vertretbar. Manipulationen liessen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit erkennen. Foto Keystone Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3 9 Politik

THEODORA PETER Von einem «historischen Schritt» war die Rede, als sich die internationale Staatengemeinschaft im Dezember 2015 in Paris darauf einigte, gemeinsam gegen die Klimaerwärmung und ihre verheerenden Folgen vorzugehen. So wurde beschlossen, den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Um dieses ambitiöse Ziel zu erreichen, muss der Planet den Ausstoss von klimaschädlichen Treibhausgasen wie CO₂ in den nächsten Jahrzehnten radikal senken. Die Aufbruchstimmung von Paris machte in den Folgejahren einer Ernüchterung Platz. Viele Staaten sind Schweiz löst beim Klimaschutz alte Versprechen ein – so das Volk will Mehr als sieben Jahre nach der UN-Klimakonferenz von Paris verankert die Schweiz den Klimaschutz in einem Gesetz. Ob der Erlass tatsächlich in Kraft tritt, entscheiden am 18. Juni die Stimmberechtigten an der Urne. Widerstand kommt von der SVP.­ bei den nötigen Massnahmen in Rückstand geraten. Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Energiekrise sorgten für andere Prioritäten. Auch in der Schweiz sind die politischen Anstrengungen zum Klimaschutz ins Stocken geraten. Zuletzt wollte das Stimmvolk bei einer Revision des CO₂-Gesetzes im Jahr 2021 nichts wissen von höheren Abgaben auf fossilen Treibstoffen («Revue» 4/2021). Klimaneutral bis ins Jahr 2050 Hitzewellen und Unwetter illustrieren nach wie vor die Dringlichkeit eines Handelns. In der Schweiz sind die immer schneller schmelzenden Gletscher zu einem Mahnmal für den Klimawandel geworden. Forscher prognostizieren, dass ein Grossteil der Eismassen in den Alpen bis Ende dieses Jahrhunderts verschwinden wird. Trotzdem ist es aus Sicht der Wissenschaft noch nicht zu spät, den globalen Temperaturanstieg zu bremsen. Bundesrat und Parlament haben den Weg zur Klimaneutralität nun in einem Rahmengesetz festgeschrieben. Es sieht vor, dass die Schweiz bis im Jahr 2050 das sogenannte Netto-null-Ziel erreichen muss. Der Abbau der Emissionen mit umweltschädlichen Treibhausgasen soll etappenweise erfolgen. Konkrete Reduktionsziele verordnet das Gesetz Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3 10 Politik

Alle eidgenössischen Abstimmungen vom 18. Juni 2023 im Überblick Globale Mindeststeuer für Grossunternehmen Als Mitglied der internationalen Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) beteiligt sich die Schweiz ab 2024 an der Einführung einer globalen Mindeststeuer für Grosskonzerne. Demnach sollen international tätige Unternehmen mit einem Umsatz von über 750 Millionen Franken eine Mindeststeuer von 15 Prozent bezahlen. Dies führt dazu, dass viele Grosskonzerne in der Schweiz mehr zahlen müssen als bisher – was der öffentlichen Hand zusätzliche Einnahmen beschert. Der international abgestimmte Mechanismus ist grundsätzlich unbestritten. Nicht einig sind sich die Parteien aber darin, wie das zusätzliche Geld verteilt werden soll. Der vom Parlament beschlossene Verteilschlüssel sieht vor, dass drei Viertel der Mehreinnahmen an die Kantone fliesst und nur ein Viertel beim Bund bleibt. Die SP sagt deshalb Nein zur Vorlage: Sie möchte, dass mehr Geld in der Bundeskasse bleibt. (TP) Mehr Klimaschutz und Investitionen in erneuerbare Energien Die Schweiz soll bis im Jahr 2050 klimaneutral werden. Den Weg dahin regelt das Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (siehe Text links). Die Vorlage ist ein indirekter Gegenvorschlag zur überparteilichen Gletscher-Initiative, die inzwischen zurückgezogen wurde. Gegen das Klimaschutzgesetz stellt sich die SVP. (TP) Covid-19-Gesetz erneut auf dem Prüfstand Trotz dem Ende der Corona-Massnahmen hat das Parlament das Covid-Gesetz vorsorglich bis Ende 2024 verlängert. Damit bleibt die rechtliche Grundlage für eine allfällige Reaktivierung von Covid-Zertifikaten vorläufig bestehen – zum Beispiel für die Einreise in andere Länder. Bekämpft wird die Gesetzesrevision von den «Freunden der Verfassung». Sie haben zum dritten Mal das Referendum ergriffen. (TP) der Industrie, dem Verkehr sowie dem Gebäudesektor. Nötig sind dafür massive Investitionen in CO₂-freie Technologien. Das Parlament hat dazu ein Impulsprogramm in der Höhe von insgesamt 3,2 Milliarden Franken beschlossen. Davon fliessen 2 Milliarden Franken über einen Zeitraum von zehn Jahren in den Ersatz von Öl- und Gasheizungen. Weitere 1,2 Milliarden sind für die Förderung von Innovationen vorgesehen. Druck durch Gletscher-Initiative Das Gesetz ist ein Gegenvorschlag zur sogenannten Gletscher-Initiative. Der überparteiliche Verein Klimaschutz Schweiz hatte das Volksbegehren bereits Anfang 2019 lanciert und innert kürzester Zeit die nötigen 100 000 Unterschriften gesammelt. Der Druck von unten wirkte: Das Parlament machte sich an die Arbeit. Weil nun ein für die Klimaschützer akzeptables Gesetz auf dem Tisch liegt, zog der Verein seine Initiative zurück. Dies unter einer Bedingung: Sollte die Parlamentsvorlage am 18. Juni an der Urne scheitern, könnte die GletscherInitiative zu einem späteren Zeitpunkt doch noch dem Volk vorgelegt werden. Trotz breiter Zustimmung im Parlament sind nicht alle Parteien mit dem Klimaschutz-Gesetz einverstanden. Die SVP hat das Referendum gegen das «Stromfresser-Gesetz» ergriffen. Die Partei geht davon aus, dass der Energieverbrauch massiv steigen wird, wenn in Zukunft nur noch E-Autos auf den Strassen fahren und elektrische Wärmepumpen Häuser beheizen dürfen. Die Schweiz verfüge bereits heute über zu wenig Strom, argumentiert die SVP. Die Gegner befürchten zudem Mehrkosten für Immobilienbesitzer, die langfristig ihre Öl- und Gasheizungen ersetzen müssen. Die Befürworter wiederum verweisen auf die öffentlich finanzierten Investitionen in erneuerbare Energien wie Fotovoltaik, Wasser- und Windkraft. Solaroffensive und Wasserkraft Unabhängig vom Klimaschutz-Gesetz hat das Parlament bereits letzten Herbst eine Solaroffensive beschlossen. Damit sollen so bald wie möglich grosse Fotovoltaikanlagen gebaut werden können – Pläne für ein solches Solarkraftwerk gibt es beispielsweise im Kanton Wallis (siehe «Revue» 1/2023). National- und Ständerat beraten derzeit zudem ein Gesetz über eine sichere Stromversorgung. Ziel ist es, in der Schweiz mehr Energie aus erneuerbaren Quellen zu produzieren – insbesondere der Wasserkraft. Schub erhalten sollen 15 Stausee-Projekte, die vor allem im Winter zusätzlichen Strom liefern könnten. Geplant ist zum Beispiel ein Speichersee unterhalb des Triftgletschers (siehe «Revue» 1/2022). Kritiker befürchten, dass der Naturschutz zu kurz kommen könnte. Es ist deshalb gut möglich, dass auch zu dieser Vorlage dereinst das Stimmvolk das letzte Wort hat. Nun ist am 18. Juni zunächst der Volksentscheid zum Klimaschutz-Gesetz fällig. Die Abstimmung ist auch eine erste Bewährungsprobe für den neuen Energie- und Umweltminister Albert Rösti (SVP). In seiner früheren Rolle als Nationalrat und Lobbyist für die Erdölindustrie kämpfte Rösti noch an vorderster Front gegen den Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Nun muss er in der Funktion als Bundesrat ein Gesetz für mehr Klimaschutz vertreten – gegen den Willen seiner eigenen Partei. Ein ziemlich beklemmendes Bild vor den Gipfeln der Bernina-Gruppe: Vom Diavolezza-Gletscher sind nur schmale Streifen übrig, die im Sommer zum Schutz komplett mit Stoffbahnen abgedeckt werden. Foto Keystone Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3 11

THEODORA PETER Wie viele Männer und Frauen tatsächlich antreten werden, zeigt sich im August, wenn in den 26 Kantonen die Frist für die Einreichung der Kandidaturen abläuft. Es ist gut möglich, dass dann der bisherige Rekord von 2019 geknackt wird. Bei den letzten nationalen Wahlen wollten mehr als 4600 Kandidierende einen der 200 Sitze im Nationalrat ergattern. Und über 200 bewarben sich für die insgesamt 46 Sitze im Ständerat. Auch diesen Herbst dürften erneut dicke Couverts in die Briefkästen der Wahlberechtigten flattern. Der Umschlag enthält nicht nur ein Bündel mit Wahllisten, sondern auch zahlreiche Wahlprospekte, in denen sich Parteien und Kandidierende im besten Licht präsentieren. Angesichts des Papierbergs stellt sich bei manchen Wahlberechtigten ein leichtes Gefühl der Überforderung ein. Jeder Kanton ein Wahlkreis Wie umfangreich das Wahlcouvert tatsächlich sein wird, hängt nicht zuletzt davon ab, in welchem Kanton man stimm- und wahlberechtigt ist. Dies gilt auch für die Auslandschweizerinnen und -schweizer. In den beiden bevölkerungsreichsten Kantonen Zürich und Bern werden 36 respektive 24 Nationalrätinnen und -räte gewählt. In mittleren Kantonen schwankt diese Zahl zwischen 19 und 7, in kleineren zwischen 6 und 1. Hinzu kommen die Listen für ein bis zwei Ständeratssitze. Auch in kleineren Kantonen ist die Qual der Wahl gross, übersteigt doch die Auswahl an Kandidierenden bei weitem die Zahl der zur Verfügung stehenden Sitze. Und anders als bei einer kommunalen Wahl, bei denen man die Kandidierenden aus dem Dorfleben kennt, ist die örtliche Distanz bei eidgenössischen Wahlen ungleich grösser. Denn das Bewerberfeld rekrutiert sich aus dem ganzen Kantonsgebiet. Ob in der Nähe oder aus der Ferne: Das Ausfüllen der Wahlzettel ist ein demokratisches Recht, das mit Anstrengungen verbunden ist. Wie finde ich heraus, welche Parteien und Kandidierenden meine eigenen politischen Überzeugungen am besten vertreten? Smartvote: Fragebogen und Spinnennetz Wer bereit ist, etwas Zeit in die passende Wahlentscheidung zu investieren, kann sich auf Smartvote.ch registrieren. Die von einem wissenschaftlichen Netzwerk betriebene Plattform funktioniert ähnlich wie eine Online-Partnersuche: Man klickt sich durch eine Reihe von Fragen, die zuvor bereits von den Kandidierenden beantwortet wurden. Statt um Persönliches geht es dabei um zentrale Themen der Schweizer Politik – darunter etwa die Altersvorsorge, die Wen wählen? Und wie? Wahlhilfen im Überblick Für die eidgenössischen Wahlen vom 22. Oktober werden erneut Tausende für die 246 Sitze im Parlament kandidieren. Die grosse Auswahl macht den Wahl-Entscheid nicht einfach. Online-Plattformen wie Smartvote bieten dazu Werkzeuge an. Krankenkassenprämien oder auch Fragen zu Steuern, Umwelt und Zuwanderung. Am Schluss ploppt auf dem Bildschirm eine Liste mit «Matches» auf – mit den Namen derjenigen Kandidierenden, die prozentual am stärksten mit den eigenen Positionen übereinstimmen. Darüber hinaus lässt sich ein sogenannter Smartspider abrufen: Die Grafik visualisiert über acht thematische Achsen hinweg die politische Verortung auf einem Spinnennetz (zwei Beispiele siehe Seite 13). Für die Wahlen 2023 wird der Fragebogen bis im Sommer überarbeitet, wie Smartvote-Projektmanager Michael Erne im Gespräch mit der «Schweizer Revue» erklärt. Um Vergleiche mit früheren Wahlen zu ermöglichen, bleibt ein Grossteil der Fragestellungen unverändert oder wird aktualisiert. Ganz neu wird rund ein Viertel der insgesamt 75 Fragen. «Angesichts des Kriegs in der Ukraine und der Inflation gewinnen Themen wie Sicherheit, Neutralität und Kaufkraft bei diesen Wahlen an Bedeutung», sagt Erne. Mehr Gewicht erhalten auch Fragen zur Digitalisierung, welche alle Lebensbereiche betrifft. Neue Version ab Ende August online Bereits im Frühling konnte das Publikum eigene Themen-Inputs einreichen. Auf der erstmals eigens dafür aufgeschalteten Plattform «BePart» gingen laut Erne rund 200 Vorschläge ein – darunter zum Beispiel Fragen wie: «Soll die Schweiz die Wiederausfuhr von Munition und Waffen an Drittländer erlauben?» oder «Sind Sie für einen Beitritt zum EWR?» Die Vorschläge fliessen in die Weiterentwicklung von Smartvote ein – nebst Inputs aus Politik und Wissenschaft. Nach Tests wird der neue Fragebogen Politik für die Jüngsten Jedes Jahr besuchen rund 100 000 Personen das Bundeshaus in Bern. Unter ihnen befinden sich auch viele Schulklassen, die an einer Führung teilnehmen oder während Parlamentssessionen die Debatten von National- und Ständerat verfolgen. Im 2022 erschienenen Heft «Auf ins Bundeshaus!» des Schweizerischen Jugendschriftenwerks (sjw) taucht die junge Melissa in eine ihr neue Politwelt ein. Für Turbulenzen sorgt, dass die Schülerin ihre Maus Luna mit ins Parlamentsgebäude schmuggelt. Auf ihrer Erkundungstour erleben die beiden Protagonistinnen einige Abenteuer und erfahren gleichzeitig, wie Politik vor und hinter den Kulissen funktioniert. (TP) Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3 12 Politik

www.smartvote.ch www.easyvote.ch www.ch.ch/de/wahlen2023/ www.elections-2023.ch Die Wahlplattform der Behörde: ch.ch Bund und Kantone ihrerseits bieten ihrerseits auf www.ch.ch laufend ergänzte Informationen rund um die eidgenössischen Wahlen an. Dies in gebündelter und übersichtlicher Form: vom Wahlkalender über die Regeln für Wahlkampagnen und Transparenz bei der Politikfinanzierung bis hin zu einem Wahlwörterbuch mit Erklärungen technischer Begriffe wie «Kumulieren» und «Panaschieren». Die Plattform enthält zudem Anleitungen, wie man sich als Auslandschweizerin oder Auslandschweizer für die Teilnahme an der Wahl registieren kann. schliesslich Ende August aufgeschaltet werden. Wer das Funktionieren der Plattform bereits jetzt ausprobieren möchte, kann online auf den Fragebogen der letzten nationalen Wahlen von 2019 zugreifen – sozusagen als «Trainingscamp». Vor vier Jahren wurde die Plattform von 500000 bis 600000 Wählerinnen und Wählern genutzt – das sind 20 Prozent derjenigen, die am Wahlsonntag an die Urne gingen. Bei den Kandidierenden wiederum ist Smartvote weit verbreitet. Bei den Wahlen 2019 füllten 85 Prozent der Kandidierenden den Fragebogen aus. Sie haben alles Interesse daran, auf einer Wahlhilfe-Plattform aufzuscheinen. Nur 15 Prozent der Kandidierenden wollten nichts von einer Teilnahme wissen. Laut Erne handelt es sich dabei meist um sogenannte Listenfüller. Gemeint sind Personen, die ihren Namen für eine Wahlliste zur Verfügung stellen, ohne mit einer Wahlchance zu rechnen. Easyvote: Erklärvideos und App Eine weitere Plattform, welche die Ausübung des Stimm- und Wahlrechts erleichtert, heisst easyvote.ch. Mit dem Angebot will der Dachverband der Schweizer Jugendparlamente vor allem junge Menschen zur politischen Teilhabe ermuntern. Darüber hinaus bieten die neutralen und leicht verständlichen Informationen einem breiten Publikum einen guten Überblick über anstehende Abstimmungen und Wahlen. Für die eidgenössischen Wahlen erklären Videoclips zudem, wie das Zweikammersystem der Schweiz funktioniert und wie man einen Wahlzettel korrekt ausfüllt. Für die Nutzung auf dem Smartphone steht zusätzlich die App Votenow zur Verfügung. Typisch links Das Spinnennetz des Smartspider bildet Werthaltungen und politische Einstellungen auf acht thematischen Achsen grafisch ab. Im obigen Beispiel steht Kandidat X für einen ausgebauten Sozialstaat und eine liberale Gesellschaft ein. Zudem vertritt er eine offene Aussenpolitik und ist europa-affin. Etwas weniger Raum nehmen bei ihm Forderungen nach mehr Umweltschutz ein. Gar nicht einverstanden ist er mit einer restriktiven Migrationspolitik: Auf dieser Achse tendiert seine Zustimmung gegen null. (TP) Typisch rechts Für Kandidatin Y steht eine liberale Wirtschaftspolitik hoch im Kurs: Sie möchte möglichst freien Wettbewerb und wenige staatliche Eingriffe. Wichtig sind ihr zudem Massnahmen für Sicherheit und Ordnung, wie ihr Spiderprofil auf der Achse Law & Order illustriert. Ähnlich hoch sind ihre Zustimmungswerte zu einer restriktiven Migrationspolitik – zum Beispiel für eine Beschränkung der Zuwanderung. Nichts wissen will Kandidatin Y hingegen von einem Ausbau des Sozialstaates sowie des Umweltschutzes. (TP) Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3 13

MARC LETTAU Ostern liegt für dieses Jahr hinter uns. Erfahren haben wir dabei aufs Neue die österliche Fülle und Vielfalt im Süsswarenbereich: Schokoladehase, Nougathase, Mandelsplitterhase, Goldhase & Co. beherrschten die Verkaufsregale. Nicht mümmelnd, sondern sehr süss und sehr stumm – und ungeheuer zahlreich. Allein der Schweizer Grossverteiler Migros produzierte in seinem Werk Delica in Buchs (SG) 6,8 Millionen Hasen. China mag das Jahr des Hasen kennen. Doch die Schweiz ist – oder war – das Land des Hasen. Besonders in der Deutschschweiz diktierte das Wildtier unzählige Flurnamen. Die Landschaft wird zur Hasenlandschaft: Hasenacker, Hasenberg, Hasenbühl, Hasenburg, Hasenfeld, Hasengaden, Hasenhalden, Hasenmoos, Hasenplatte, Hasensprung, Hasental, Hasenstrick, Hasenwinkel. Das ist nur eine kleine Auswahl, die deutlich macht, wie allgegenwärtig das Tier durch die Gegend hoppelte – und dabei auch ins Visier der Jäger. Der Feldhase versprach Fleisch auf den Teller. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurden bis zu 75000 Hasen erlegt. «Der Feldhase war vielerorts die Jagdbeute Nr. 1», sagt dazu Biologin Claudine Winter von der Abteilung Biodiversität und Landschaft des Bundesamtes für Umwelt (Bafu). Inzwischen weist die schweizweite Jagdstatistik nur noch rund 1500 Abschüsse pro Jahr aus, denn dem Feldhasen geht es schlecht – insbesondere im Schweizer Mittelland. Wie schlecht, zeigt das seit 1991 durchgeführte Schweizer Feldhasenmonitoring, für das ausgewählte Im Jahr des Hasen Schauen wir doch im heurigen chinesischen Jahr des Hasen, wie es denn dem schweizerischen Hasen geht. Der extrem kurze Befund: Dem frei lebenden Feldhasen geht es mies; seinem Abbild aus Schokolade im Verkaufsregal hingegen prächtig. Marktrivalen Coop und all die Schokoladehasen der übrigen Mitspieler auf dem Süssigkeitenmarkt. Insgesamt werden in der Schweiz laut dem Verband Chocosuisse jährlich um die 16 Millionen Osterhasen produziert – zwei Hasen für jeden und jede im Lande – und es wird an Ostern eine Süssigkeitenmenge von gegen 5000 Tonnen verzehrt. Eine uralte Tradition? Mitnichten. Vor 1950 gab es kaum Schokoladehasen, vor allem keine hohlen. Die «Hohlfigurentechnik» wollte von den Chocolatiers erst entdeckt und perfektioniert werden. Der steile Anstieg der Produktionszahlen setzte erst vor rund 50 Jahren ein, beklemmend zeitgleich mit den stark fallenden Zahlen der Feldhasenstatistik. Eine verlässliche Angabe zur schweizweiten Zahl der Hasen kann allerdings auch das erwähnte Feldhasenmonitoring nicht nennen, fokussiert es sich doch auf ausgewählte Beobachtungsgebiete. Selbst die Jagdstatistik hat nur noch beschränkte Schokoladenrealität: Das natürliche Vorbild, den Feldhasen, erblicken in der Schweiz die meisten Zeit ihres Lebens nie. Das künstliche Abbild aus Schokolade dagegen beherrscht das Bild in millionenfacher Präsenz. Foto iStock Höher, weiter, schneller, schöner? Auf der Suche nach den etwas anderen Schweizer Rekorden. Heute: Die extreme Spannung zwischen Vorbild und Abbild im Falle des Hasen Gebiete unter die Lupe genommen werden: Über die Jahre gibt es nur einen Trend: nach unten. Seit Beginn des Monitorings hat sich die Zahl der Feldhasen erneut halbiert, von einem tiefen auf ein sehr tiefes Niveau. Pro Quadratkilometer sichten die Feldforscher noch rund 2,5 Hasen. Grösser und grösser wird das Heer der Osterhasen. Zu den Millionen der Migros kommen die Millionen des Reportage Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3 14

Aussagekraft: In zahlreichen Kantonen verzichten die Jägerinnen und Jäger auf die Hasenjagd, zumal das Tier als verletzliche Spezies auf der «roten Liste» der gefährdeten Arten figuriert. Die unbestechlichste und zugleich blutigste Statistik belegt aber den anhaltenden Niedergang des Feldhasen: Es ist die Statistik der von Autos überfahrenen oder von landwirtschaftlichen Maschinen getöteten Wildtiere. In dieser «Fallwildstatistik» figurierten in den 1980er-Jahren etwa 4000 Hasen. Heute sind es noch gut 1000. Die Felder sind öde geworden Prekär ist des Feldhasens Lage vor allem im Schweizer Mittelland: «Hier ist die Situation des Feldhasen wirklich nicht gut und wir erkennen keinen Hinweis auf Erholung», sagt BafuBiologin Claudine Winter. Der Hauptgrund ist rasch gefunden: Dem Hasen fehlen in der ausgeräumten Agrarlandschaft des Mittellands die «Kleinstrukturen», etwa Hecken, die den Jungtieren Schutz bieten. Auf offenem Wiesland werden diese leichte Beute für Füchse, Katzen und Greifvögel. Aber auch die Bewirtschaftungsform dezimiert die Hasenbestände: «Würden Wiesen so spät wie möglich gemäht, dann trüge dies zum Schutz des Hasenbestands – und der Rehkitze – bei.» Nur gibt es in der Schweiz diesbezüglich keine so weitreichenden Vorschriften. Was heisst das für die kindliche Erfahrung an Ostern und darüber hinaus? Hasen erblicken wir zuerst in ihrer künstlichen Form. Und selbst jene, die am Hasenbühl oder Hasenacker wohnen, sehen da wohl zeitlebens nie einen wild lebenden Feldhasen. Es ist wenn schon der Hasen Feind, Der in der Schweiz heimische Feldhase stammt ursprünglich aus den Steppen der Ukraine und Südrusslands. In der Jungsteinzeit verbreitete er sich, zusammen mit dem Ackerbau, auch in der Schweiz. Foto iStock der sich bis ins Wohnquartier wagt: Füchse, die im urbanen Raum zurechtkommen, werden zahlreicher. EIn golden glänzender Erfolg Der Feldhase ist ein Fruchtbarkeitssymbol. Bis viermal pro Jahr kann eine Häsin Junge werfen. Grundsätzlich ist kaum ein Wildtier vermehrungsfreudiger – wenn es denn eine ihm freundliche Umwelt anträfe. So sind wiederum allein die Chocolatiers für die Vermehrungsrekorde zuständig: So produziert Lindt & Sprüngli pro Jahr weltweit rund 150 Millionen ihrer in glänzende Alufolie verpackten Goldhasen. Schweizer Revue / Mai 2023 / Nr.3 15

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